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Eifel-Ralley

Eifel-Ralley

Titel: Eifel-Ralley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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jemand den Schützen gesehen hat?«
    »Natürlich will niemand was gesehen haben. Ist wahrscheinlich auch so. An der Tankstelle waren ein paar Porschefahrer, weil man hier billiger tankt als oben am Ring. Auf dieser Seite haben ein paar Belgier und ein paar Holländer gehalten. Und ein Tanklaster von der Milch-Union. Die haben es scheppern gehört und sind hierher gerannt. Der Tankwagenfahrer sagt, die Maschine flog in fünf Meter Höhe durch die Luft. Das ist möglich, wenn der Täter den Vorderreifen plattgeschossen hat. Hat ja eine enorme Streuung, so eine Flinte. Jedenfalls war nichts mehr zu machen.«
    Walter Sirls Gesicht war wie im Schreck erstarrt. Jemand hatte ihm die Augen zugedrückt.
    Mende kam heran. »Glauben Sie, daß es eine Verbindung zwischen den Fällen gibt?«
    »Vermutlich. Wenn er der Lehrer vom großen Boß war, und wenn der große Boß sich von Harro bedroht fühlte, kann es sein, daß auch Walter Sirl eine Bedrohung war. Oder sehen Sie das anders?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte der Journalist bedrückt. »Irgend jemand spielt hier Krieg.«
    »Welche Gerüchte kursieren denn über diesen Andreas von Schöntann?«
    »Da gibt es eine ganze Menge. Aber wir wissen doch, wie so etwas läuft. Der Mann erregt bei all der Macht, die er hat, Neid. Also wird bissig über ihn geredet. Ich kenne nur eine Geschichte, aber die ist dermaßen skurril, daß sie kaum zu glauben ist.«
    »Erzählen Sie mal«, sagte ich. »Wir brauchen Spuren.«
    »Die Sache mit der Rückrufaktion, die eigentlich verschwiegen werden sollte, ist nicht die erste. Dieser von Schöntann hat schon mehrere Male merkwürdige Dinge abgeliefert. Da gibt es zum Beispiel einen älteren Kollegen, so mein Jahrgang etwa, der ebenfalls Ahnung vom Fach hat. Der Konzern brachte unter hohem Druck der Konkurrenz einen großen Kombi heraus. Der Werbeaufwand war irre. So nach dem Motto: Die tun was, weil sie endlich verstanden haben. Der Wagen war völlig neu konzipiert. Rund dreitausend neue Plastikteile waren eingebaut. Kein einziges dieser Plastikteilchen war wirklich getestet. Das hatte zur Folge, daß bei der Karre beispielsweise das Kofferraumschloß einfach rausfiel, wenn man die Klappe hochstellte. Das hatte der ältere Kollege vorher gerochen, es war einfach eine Frage der Erfahrung. Also schrieb er, da werde noch manche Schweinerei auf die Firma zukommen. Das stimmte, das stimmte so sehr, daß der Konzern die ersten Exemplare dieser Reihe eine ›Versuchsreihe‹ taufte. Als dann Fenster einfach in die Türen sackten, ohne daß jemand den Fensterheber berührt hätte, schrieb der Kollege eine Satire. Er überlegte öffentlich in einem Fachblatt, ob man nicht mal einen Schlüsselroman zu dieser erstaunlichen Fehlleistung schreiben solle. Der von Schöntann begriff die Satire nicht, sein Rechtsanwalt begriff sie auch nicht, und ein Richter in Koblenz kam auch nicht dahinter. Der Anwalt drohte nun dem älteren Kollegen an, er solle die Persönlichkeitsrechte seines Mandanten wahren. Tatsächlich wird so ein nicht geschriebener Text demnächst vor Gericht verhandelt, als sei er gedruckt erschienen. Von Schöntann hat soviel Macht, daß sein Anwalt und der Richter scheinbar ihr Gehirn verleugnen und nur noch nachplappern, was der eitle Fatzke ins Feld führt. Niemand würde das unter normalen Umständen glauben, aber vielleicht gibt es in diesem Land keine normalen Umstände mehr.«
    »Von Schöntann setzt also durch, daß mit Hilfe eines Gerichtes ein guter Journalist für Spott bestraft wird. Habe ich das richtig verstanden?«
    »Genau«, nickte Mende.
    Die Situation war kafkaesk, weil wenige Meter von uns entfernt Walter Sirl auf dem Asphalt lag, auf dem er gestorben war. Jedesmal, wenn Ingo Mende mit den Händen wedelte, sah ich durch seine Armbeuge hindurch das Gesicht des Kunstschmieds, der nicht anders hatte leben wollen als mit dem Arsch auf seiner geliebten Harley.
    »Ich kann sein Gesicht nicht mehr ertragen«, meinte ich. »Können wir etwas abseits gehen?«
    Wir gingen also ein paar Schritte durch das staubige Gras am Rand der Piste, schlängelten uns durch die Reihen der Schaulustigen und stellten uns an den Rand der B 258, gegenüber der Tankstelle Döttinger Höhe, von der die meisten nicht wissen, daß man dort die wahrscheinlich größte Sammlung von Rennautos im Modell kaufen kann, die es gibt. Sogar den Helm von Michael Schumacher gibt es dort, Kostenpunkt: lächerliche 4.000 Mark. Und für das Poster zur Formel 1 1997

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