Eifel-Ralley
ist eine.« Ich reichte ihm die Mappe. »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie die Namenskürzel entschlüsseln und die Texte vielleicht in eine Reihenfolge bringen könnten. Und wenn Sie verschweigen, daß ich Ihnen das gegeben habe.«
»Ich habe Sie nie gesehen.« Der Journalist legte Harros Zettelsammlung auf eine Trommel. »Was führte Sie zu dem Gefühl, daß etwas komisch ist?«
»Er war vorgestern abend mit jemandem im Dorint- Hotel verabredet. Gegen acht Uhr kam Harro dort an. Später wurde er dann tot auf dem Parkplatz gegenüber aufgefunden. Nicht neben seinem Auto, das stand vor dem Hotel. Und im Hotel hat ihn angeblich niemand gesehen. Er ist von acht Uhr abends bis kurz nach Mitternacht verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt. Tauchte als Toter wieder auf, runde hundertfünfzig Meter vom Hotel entfernt, jenseits der B 258.«
»Besorgen Sie mir die Gästeliste des Hotels von dem Abend. Wahrscheinlich werde ich Ihnen dann sagen können, wen er getroffen haben kann.«
»Wie, um Gottes willen, soll ich das zustande bringen?«
»Klauen«, erwiderte Mende nüchtern. »Aber vielleicht weiß Charly was.«
»Und wer, bitte, ist das?«
»Charly? Charly ist der Oberkellner. Seit dreißig Jahren am Nürburgring. Es gibt eigentlich nichts, was Charly nicht weiß. Charly hat allerdings den Nachteil, daß er loyal ist. Wenn es gegen das Hotel geht, macht er nicht mit. Das ehrt ihn, ist aber störend.« Er seufzte und blickte ergeben an die Zimmerdecke. »Und es hätte so ein schöner Tag werden können.«
»Was ist augenblicklich auf dem Ring los?«
»Nichts Besonderes. Porsche macht ein Sicherheitstraining. Kurse für Motorradfahrer. Dann kommen die üblichen Busse mit Rentnerinnen und Rentnern, mit Schulklassen und Kaffeekränzchen. Und die Formel 1 wird am Wochenende hier sein. Soweit ich weiß, wird der Ring übernächste Woche geschlossen. Industriewoche. Die Herrschaften testen mal wieder Fahrwerke, Getriebe, Reifen und weiß der Himmel, was noch alles. Damit ihnen niemand in die Suppe spuckt, mieten sie gleich den ganzen Ring. Das bringt richtig Geld, und Karli freut sich.«
»Wer ist das schon wieder?«
»Der Chef der Nürburg-Verwaltungsgesellschaft. Aber der ist wohl nichts für Sie, der ist eher ein Parteibuch-Kletterer, als Mörder taugt er garantiert nicht.« Er musterte mich mit den Augen eines Dackels. »Sind wir nicht alle Mörder, wenn wir an unsere Stubenfliegen denken?«
Wir lachten, aber eigentlich war uns nicht nach Lachen zumute.
»Ist dieser Andreas von Schöntann auch hier?«
»Ziemlich oft. Er kommt wie ein Kaiser, nur der Baldachin fehlt. Vielleicht bekommen Sie ja ein Interview mit ihm?«
»Das wäre gut«, sagte ich. »Aber ich bin in dieser Branche unbekannt.«
Das Schrillen meines Handys störte unser Gespräch.
Kurz und knapp teilte Rodenstock mit: »Es war Zyankali. Es wurde zerstäubt. Wir fanden eine winzige Verätzung im unteren Bereich der Speiseröhre und im Magen. Normalerweise hätte niemand das gefunden, aber wir wußten, wonach wir suchen mußten.«
»Ich soll dich jetzt wahrscheinlich abholen, oder?«
»Oh nein. Ich werde zu Fuß gehen. Wo muß ich hin?«
Ich gab ihm die Straße und die Hausnummer von Harro, dann unterbrach ich die Verbindung.
»Harro Simoneit wurde ermordet«, erklärte ich.
Mende biß sich auf die Oberlippe. »Wundert mich nicht. Aber allein mit der Rückrufaktion ist das nicht zu erklären. Da muß noch etwas sein.«
»Und Sie haben wirklich keine Idee?«
»Keine. Aber vielleicht finde ich etwas, wenn ich die Namenskürzel auf Harros Zetteln entschlüssele. Kann ich Sie irgendwo erreichen?«
»Selbstverständlich. Zu jeder Tages- und Nachtzeit.«
Dann war wieder dieses störende Geräusch meines Handys zu hören.
»Es ist noch etwas geschehen«, sagte Rodenstock kühl. »Heute ist der Ring frei. Freies Training für jedermann gewissermaßen. Direkt neben der B 258 auf der langen Geraden, auf die Tribünen zu, ist ein Motorradfahrer von der Bahn geblasen worden. Das kann erst eine Stunde her sein.«
»Was heißt denn ›geblasen worden‹? Was meinst du damit?«
»Die Polizei sagt, der ist mit einer Schrotflinte heruntergeschossen worden. Im Vorbeifahren sozusagen.«
»Und wen hat es erwischt?«
»Einen Mann aus Daun, Walter Sirl. Ein junger Mann, ich glaube, zweiunddreißig. Er war ein Verrückter, weißt du? Er war...«
»Ja ja, ich weiß, ich kenne ihn. Walter war Kunstschmied, ein Seelchen. Er hatte eine Schwäche für
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