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Eifel-Ralley

Eifel-Ralley

Titel: Eifel-Ralley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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saß Harros Vater auf der Fensterbank zum Garten hin. Zumindest dachte ich, das sei Harros Vater.
    »Das ist ein Freund von Harro«, sagte Rodenstock. »Siggi Baumeister. Auch ein Journalist.«
    Ich gab dem Mann die Hand, und erstaunlicherweise lächelte er.
    »Ich bin sehr verwirrt«, sagte er stockend. »Erst zu erfahren, daß Harro tot ist, und dann zu begreifen, daß jemand ihn getötet hat, ist wohl etwas zuviel.«
    Ich dachte verkrampft: Was sage ich denn jetzt? Was hilft ihm denn? Was will er hören?
    »Er war ein großartiger Kollege«, hörte ich mich sagen. »Er war wirklich eine Ausnahme. Sehr kritisch und sehr selbstkritisch, seltene Tugenden heutzutage.« Großer Gott, redest du einen Scheiß, Baumeister. Hör auf damit.
    »Gut, daß Sie das sagen«, lächelte der Vater. »Eigentlich weiß ich nichts von ihm.« Dann schluchzte er laut auf und neigte den Kopf. »Wieso getötet?«
    »Wir wissen es noch nicht«, sagte Rodenstock. »Wenn ich Baumeister richtig verstanden habe, war Ihr Sohn ein sehr mutiger Mann mit einer eigenen Meinung und ausgeprägtem Spürsinn.«
    »Das war er«, bestätigte ich.
    Simoneit senior hob den Kopf und sah uns an. »Und Petra ist schwanger. Das ist doch unfaßbar.«
    »Das ist es.« Rodenstock holte einen seiner fürchterlich stinkenden Stumpen aus der Tasche und zündete ihn an.
    »Was machte ihn eigentlich aus?« fragte Harros Vaters plötzlich. »Ich meine, können Sie sagen, was Besonderes an ihm ist... gewesen ist?«
    »Das kann ich.« Baumeister, mach es vorsichtig. Übertreib nicht. Er muß sich daran festhalten können, er braucht es, um zu überleben. »Er war auf eine bestimmte Weise naiv, und er war auf eine bestimmte Weise neugierig. Ich denke, das muß ich erklären. Hat er Ihnen mal die Geschichte mit dem Wäschekoffer erzählt?«
    »Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, ich habe mich gar nicht dafür interessiert. Ich bin Mathematiker, wissen Sie.«
    »Ich erzähle Ihnen die Geschichte. Er hat sie hier in diesem Raum vorgelesen, es war eine sehr gute Geschichte. Volvo oder Saab haben eines Tages ungefähr vierzig Journalisten zu einer Flugreise nach Lissabon eingeladen, um neue Autos vorzustellen. Dabei saß Ihr Sohn neben einem Kollegen, den er zwar kannte, aber mit dem er normalerweise nichts zu tun hatte. Sie kamen ins Gespräch. Nach der Landung sieht Harro, wie der Mann am Gepäckfließband zwei riesige Koffer aufnimmt. Da die Reise nur zwei Tage dauerte, fragt er den Kollegen: Wollen Sie hier bleiben und Urlaub machen? Da grinst der und sagt: Nein, ich fliege morgen wieder mit euch zurück. Harro lassen diese Koffer keine Ruhe. Also geht er zum Hotelmanager und fragt, ob er für die Koffer des Kollegen eine Erklärung hat. Oh ja, lacht der Mann. Dieser Journalist bringt die gesamte Garderobe der ganzen Familie mit, gibt sie hier im Expreßdienst ab, und wir stellen sie ihm am nächsten Morgen gereinigt und gebügelt wieder zu. Er meint natürlich, es merkt keiner, er hält sich für sehr klug. Und wir gönnen ihm den Beschiß. Verstehen Sie? Das war Harro. Solche Dinge spürte er auf, solche Dinge beschrieb er. Harro war der Mann, der beschrieben hat, daß eine bekannte Automarke einem riesigen Dauertest unterzogen wurde. Verschwiegen wurde, daß die Autobauer den Test bezahlten. Sie bezahlten alles: Die Fahrer, die Ersatzteile, die Hotels und auch die Journalisten, die den Test beschrieben haben. Das war Harro. Sie können, verdammt noch mal, stolz auf ihn sein. Er war einfach klasse. Und er fraß mit Vorliebe Tulpen.«
    Rodenstock sah mich starr und erschrocken an.
    Harros Vater wischte sich über die Augen und begann plötzlich zu lachen. »Ja, das war so eine verrückte Sache. Mein Harro und die Tulpen!«
    Erst jetzt bemerkte ich, wie viele Frauen und Männer in diesem Raum waren. Sie zuckten beim Gelächter des Vaters zusammen und starrten ihn fassungslos an.
    »Kennst du die Tulpengeschichte von Harro?« fragte ich Rodenstock. Und als er den Kopf schüttelte, erzählte ich ihm Harros Vorliebe. Er begann zu lachen und schlug dem Vater vor Begeisterung auf die Schulter.
    Dinah gesellte sich zu uns und sagte etwas schwiemelig: »Ihr solltet vielleicht mal diesen Apfelkorn probieren. Das ist was Feines!« Sehr bald waren wir vier eine Insel des Behagens, wenngleich das nicht von langer Dauer war. Harros Schatten war einfach zu dunkel und zu mächtig.
    Nachmittags gegen vier traten wir den Rückzug an und versprachen, so schnell wie möglich

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