Eifel-Ralley
wurde. Sie war bestens bekannt mit Irmchen und deren merkwürdiger Privatkneipe. Sie kennt Peter bestens. Kann man nicht annehmen, daß sie verzweifelt versucht, menschliche Nähe herzustellen, indem sie sich für ihre Umgebung unantastbar macht, zu einem Garanten für Verläßlichkeit, präziser Planung und Arbeit? Kann dieser Andreas von Schöntann denn noch ohne sie seiner Arbeit nachgehen? Kann er nicht. Die junge Dame hat sogar sein Privatleben geschluckt. Er kann eigentlich nichts mehr ohne sie planen, und er wird es auch gar nicht tun wollen.«
»Das würde bedeuten, daß sie sozial verludert ist«, warf Dinah ein. »Solange ihre Arbeitsgruppe um den verehrten Chef herum besteht, hat sie so etwas wie ein Zuhause. Bricht die Gruppe auseinander, ist sie ... ja, was ist sie dann?«
»Heimatlos«, sagten Emma und ich gleichzeitig.
»Ob sie wohl so etwas wie einen Freund hat?« fragte ich.
»Was sollte sie mit einem Mann, wenn sie ohnehin keine freie Minute für ihn hat?« antwortete Emma.
»Als Statussymbol«, warf Rodenstock ein. »Es gibt Frauen, die sich einen Mann ganz einfach deshalb leisten, weil diese Gesellschaft das indirekt von ihnen fordert, weil es zum perfekten Bild gehört. Die Frage ist, ob das auf Jessica Born zutrifft.«
»Wir wissen zu wenig über sie.« Emma zündete sich einen Zigarillo an. »Ich würde gern etwas über ihre Herkunft wissen. Und dann müssen wir uns entscheiden, ob sie jemanden beauftragt hat. Und wer dieser Jemand ist. Entschuldigt, bitte, aber eine alte Frau braucht ihren Schönheitsschlaf. Ich gehe hinauf.«
»Ich verschwinde auch«, sagte Dinah. »Kommst du bald?« Ich nickte.
Als die beiden gegangen waren, fragte ich: »Glaubst du, daß die Born hinter den Morden steckt?«
»Ich weiß es nicht. Sie hat etwas damit zu tun, aber ich weiß nicht, was. Harro Simoneit ist für sie und ihren Chef eine wirkliche Bedrohung gewesen.«
»Wie weit ist die Kommission?«
»Nicht weiter als wir, und solange Kwiatkowski sie leitet, haben wir keine Konkurrenz, weil er alles auszutauschen bereit ist. Ich verschwinde nun ebenfalls, mein Alter, ich brauche auch einen Schönheitsschlaf.«
Ich hockte mich noch eine Weile in mein Arbeitszimmer und hörte eine CD von Willisohn, weißer europäischer Blues vom Feinsten. Aber ruhig machte er mich nicht. Später lag ich neben Dinah, die ganz gelassen schlief, und starrte gegen die Decke. Ich stand wieder auf, setzte mich ins Wohnzimmer und zappte durch alle Programme des Fernsehers, von einer Seifenoper zur anderen. Irgendwo gab es einen Beitrag über das Eheleben der Igel. Das war die richtige Kost. Es war ein Uhr, als ich erneut zu schlafen versuchte, und es war halb zwei, als das Handy irgendwo unter meinen Kleidern schrillte.
Jemand sagte: »Siggi Baumeister?«
»Am Apparat.«
»Sie sollten in die Klinik nach Adenau kommen. Ich soll Ihnen ausrichten, es ist etwas mit dem Peter.«
»Was denn?« Ich dachte, mein Herz setzt aus, ich kann nicht mehr atmen, das darf nicht wahr sein.
»Ich soll Ihnen das nur ausrichten«, sagte der Mann. »Mehr weiß ich auch nicht.«
»Was ist denn?« fragte Dinah verschlafen.
»Irgend etwas ist mit Peter«, sagte ich. »Ich fahre mal rüber.«
»Komm wieder«, murmelte sie nur.
Ich nahm meine Kleider und ging hinüber ins Bad. Ich war noch nicht ganz angezogen, als Rodenstock klopfte und in voller Montur erschien.
»Ich bin übernudelt, ich kann nicht schlafen.«
»Sie haben angerufen. Etwas ist mit Peter.«
»Oh, Scheiße!« sagte er bitter.
Ein paar Minuten später standen wir vor dem Haus, und ich dachte flüchtig, daß es sehr weitsichtig von mir gewesen war, noch zu tanken.
Rodenstock traf es zuerst, und für den Bruchteil einer Sekunde dachte ich, das alles gehe mich nichts an. Es waren drei oder vier, und sie trugen kurze Knüppel in den Händen.
Rodenstock seufzte tief und ging neben mir zu Boden.
Ich wollte etwas sagen oder schreien, aber ich hatte keine Zeit. Etwas schlug hart auf meinen Nacken, und ich fiel nach vorn. Als ich auf allen Vieren auf dem Katzenkopfpflaster kniete und Luft zu kriegen versuchte, erhielt ich einen Schlag seitlich am Kopf, und ich fiel unendlich tief. Der Fall hörte nicht auf und ging durch endlose schwarze Schächte, zuweilen senkrecht hinab, zuweilen horizontal. Mir wurde schlecht, und ich übergab mich. Dann erst kam die Bewußtlosigkeit.
Ich wachte auf, weil Detlev Horch, seines Zeichens Praktischer Arzt aus Dreis, mit Nachdruck meinen Kiefer
Weitere Kostenlose Bücher