Eifel-Ralley
protestierte Rodenstock wütend und glitt aus dem Bett. Er sah richtig niedlich aus in seinem nach hinten weit klaffenden Flügelhemdchen. »Wir sind angegriffen worden. Von Prügelei war nicht die Rede.«
Der Chefarzt war milde. Er lächelte und fragte: »Und wo liegt der Unterschied, bitte?«
Niemand in Brück feierte unsere Rückkehr, nicht mal das Blasorchester war angetreten. Niemand öffnete die Haustür, niemand nahm uns liebevoll in Empfang, niemand fiel uns um den Hals, niemand feierte die Helden.
Dinah und Emma hockten in den Sesseln im Wohnzimmer und hatten beide ein Handy am Ohr. Auf dem Tisch standen wohlgefüllte Aschenbecher und zwei Thermoskannen – Tee und Kaffee.
»Guten Morgen!« dröhnte Rodenstock.
Sie schlössen beide erschrocken die Augen und winkten heftig, wir sollten so schnell wie möglich verschwinden. Es waren die Bewegungen, mit denen man üblicherweise Stubenfliegen verscheucht.
Wir hockten uns in die Küche und starrten auf den Hof. Schließlich murmelte Rodenstock heiser: »Das ist ein Scheidungsgrund, ist das!«
Es dauerte eine geschlagene Stunde, bis Emma aus dem Wohnzimmer in den Flur hinaustrat und jubilierend die Arme in die Luft streckte. Dazu rief sie: »Jabbadabba-duh!«
Meine Gefährtin stand hinter ihr und hauchte, von sich selbst entzückt: »Wow! Ich bin gut!«
»Wir sind wieder da«, sagte Rodenstock voller Gift.
»Macht aber nix!« betonte ich.
Emma ließ ihre Augenbrauen in unbeschreiblicher Arroganz tanzen. »Wir haben gearbeitet«, teilte sie mit.
»Erfolgreich gearbeitet«, nickte Dinah. »Ein gewisser Mario Giocotta, ein Kellner aus dem Dorint, kommt heute abend nach seinem Dienst vorbei und erzählt uns was von Irmchens Kneipe. Er ist ein Netter.«
»Na prima«, sagte ich.
Emma verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich habe eine Kundennummer beim Bundeskriminalamt. Und einen netten Freund am Zentralcomputer. Unsere liebe Jessica Born hat bei denen eine Akte.« Sie spitzte den Mund und küßte richtungslos in die Gegend. »Zucker, sage ich.«
Eine Weile herrschte bodenlose Stille.
»Würdest du uns diese Süßwaren erläutern?« fragte Rodenstock irgendwohin.
»Natürlich«, erwiderte Emma gnädig. »Wir haben übrigens dem Kellner vom Dorint 500 Mark versprochen.«
»Gekaufte Informationen sind scheiße«, sagte ich.
»Das dachte ich mir«, nickte Dinah. »Aber immer noch besser als gar keine, oder?«
Wir zogen ins Wohnzimmer, und Rodenstock bekam sogar eine Tasse Kaffee und ich einen hervorragenden Earl Grey.
Emma rauchte einen Zigarillo, sah zufrieden in die Runde. »Da ist noch was. Die Obduktionen der Ermordeten haben ergeben, daß im Mundbereich Spuren von Pfefferminzöl und Menthol gefunden wurden!«
»Was heißt das?« fragte ich.
»Das heißt«, dozierte Emma, »daß wahrscheinlich ein kleiner Spraybehälter verwendet wurde, mit dem man sich normalerweise einen frischen Atem verschafft.«
»Wir wissen aber noch etwas«, ergänzte Dinah. »Michael Schumacher startet aus der fünften Position.«
»Sagenhaft«, sagte ich. »Unser Schumi, unser Bolidenwunder, unser Ein und Alles.«
»Jetzt mal zur Born«, warf Rodenstock ungehalten ein.
»Ja, Gebieter«, nickte Emma. Dann fand sie wohl, daß ihr Spott übertrieben war, und sie lächelte ihm schnell zu: »Gut, dich wiederzuhaben. – Es ist so, daß ich den Verdacht hatte, daß diese Born kein unbeschriebenes Blatt ist. Außerdem dachte ich, daß sie wahrscheinlich aus Rachsucht die Männer geschickt hat, die euch verprügelten. Daher tat ich eine Verbindung zum Bundeskriminalamt auf. Die hat mir aus dem Computer vorgelesen, was sie haben. Unser Blondchen ist eine richtige Räuberbraut. Vater unbekannt, Mutter Alkoholikerin. Jessica wurde 1965 in Monschau geboren. Die Mutter starb in einem Alkoholdelir, als das Mädchen zwölf war. Sie kam in ein Kinderheim im Westerwald. Von da an nur Heime, bis sie mit fünfzehn eine Lehre als Friseuse begann. Das war in Koblenz. Vorher ist sie sechsmal ausgebrochen und sechsmal aufgegriffen worden. Sie hatte sich in den Ausbruchsphasen ihr Leben durch Prostitution finanziert, ein elendes Dasein. Sie brach die Lehre ab, war Bardame, arbeitete in einem Massagesalon der eindeutigen Art, tauchte sogar einmal in einem Puff auf. Dann hat sie in einer Bar in Frankfurt am Main einen Mann namens Timo Eggenrot kennengelernt. Der Mann ist eindeutig Zuhälter und eine Größe in der Szene. Sehr brutal, sehr direkt, sehr intelligent. Er hat Jessica mit nach
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