Eifel-Schnee
plötzlich rot wurde, wie sein Blick abirrte, wie er verzweifelt nach einer Antwort suchte, wie er sagte: »Das weiß ich nicht. Woher soll ich denn sowas wissen, Mann?«
»Du mochtest sie sehr gern, nicht wahr?« fragte ich nach.
Jetzt antwortete er nicht, er hatte sich in sein Schneckenhaus zurückgezogen und war nicht mehr bereit, etwas zu sagen, er mochte uns plötzlich nicht mehr. Er rutschte auf dem Sitz zurück, er rutschte in die Ecke und starrte hinaus.
»Du hast mit Betty geschlafen«, bemerkte Rodenstock beinahe gemütlich. »Das heißt, sie hat mit dir geschlafen. Wahrscheinlich war sie die Frau, die dir zeigte, wie das ist – mit einer Frau zu schlafen.« Er schien nicht unsicher, er hatte keinen fragenden Unterton in der Stimme, er stellte nur etwas fest, und ich gestehe, daß ich ihn wegen seiner gottverdammten Arroganz in diesem Augenblick maßlos bewunderte.
Er wandte sich mir gelassen zu. »Ich bin ein alter Mann mit vielen Erfahrungen. Es geht hier um Mord, und das ist kein Wettbewerb im geschickten Lügen. Könntest du mich zu Hause absetzen?«
»Selbstverständlich«, nickte ich und hatte ein wenig Mitleid mit Mario, der sich jetzt sicher gelinkt vorkam. Ich gab also Gas, um den Druck auf Mario nicht allzu intensiv werden zu lassen. Ich fuhr über Hillesheim nach Hause, setzte Rodenstock vor der Tür ab. Knapp verabschiedete er sich von Mario: »Mach es gut, junger Mann.«
Dann fuhr ich weiter.
»Was will der eigentlich?« fragte Mario aufgebracht. »Mann, eh, ich würde wirklich gern wissen, was der Arsch sich einbildet. Das geht ihn doch gar nichts an, was zwischen Betty und mir war, oder? Mann, eh, das ist ein Arsch, dieser Opa.«
»Quatsch«, widersprach ich fröhlich. »Der Mann war sein halbes Leben lang Leiter einer Mordkommission. Und er ist einer der besten, das kannst du glauben. Er hat dir auf die Zahn gefühlt. Und weil er recht hatte, warst du so verdattert, daß es dir die Sprache verschlagen hat. Was ist denn dabei zuzugeben, daß eine gute Type dir das Bumsen beibrachte. Das ist ihm genauso ergangen und mir auch. Also, was soll's?«
»Na ja, ich kann diese alten Knacker nicht leiden, die immer ganz genau wissen, wie das Leben so spielt. Die sind ja wie mein Vater. Der behauptet auch immer, nichts wäre ihm fremd, alles weiß er, alles kann er steuern. Aber daß meine Mutter mit dem Verkäufer von der Tiefkühlkost rummacht und sich auf der Tischtennisplatte ... na ja, davon hat er wirklich keine Ahnung.«
»Mein Freund Rodenstock ist einfach sauer«, sagte ich behutsam. »Er ist ein Typ, der immer auf der Seite von Leuten wie Ole und Betty war. Und er kann es nicht vertragen, wenn jemand hingeht und diese Leute einfach umnietet. Er haßt Gewalt.«
»Wieso behauptet er dann einfach, daß Betty mit mir geschlafen hat, obwohl er keine Ahnung hat und nicht dabei war?«
»Er spürt dein Gefühl für Betty«, erklärte ich.
»Aber wenn es nicht so war?« Er schrie fast.
»Sieh mal, Mario«, murmelte ich. »Es war aber so. Und es war ja auch richtig so. Hat Ole davon erfahren?«
Er schwieg unendlich lange. »Er wußte es nicht«, gab er schließlich heiser zu. »Und sie hat ja auch nie mehr Geld genommen. Ach, Scheiße ist das alles. Ich habe Betty gewarnt, daß das mit dem Dealen schiefgehen kann. Aber sie wollte nicht hören, sie wollte nur mit Ole nach Kanada. Sie sagte immer: Ich liebe Ole, und wenn es das Letzte ist, was ich tue: Ich liebe ihn in jeder Sekunde.«
»Und was hat Ole über Betty gesagt?«
»Du hast ja Ole nicht gekannt«, er hatte plötzlich ein leichtes Stottern in der Stimme. »Ich habe mal erlebt, wie Ole total besoffen war und die Nerven verlor und sie anschrie: Mach meine Liebe nicht kaputt. Das ist das Einzige, was ich besitze. Immer wieder schrie er, daß das das Einzige sei und heulte dabei. Stell dir das vor, Mann, eh, er heulte wirklich Rotz und Wasser. Und ein anderes Mal hat sie gesagt, er würde seinen verdammten Manta mehr lieben als sie. Da bremste er die Karre, fuhr rechts ran und legte sich unter die Karre. Er ließ das Öl ab. Das Ganze, ohne zu reden, verstehst du? Und dann startete er und fuhr ein paar Kilometer. Da waren fünfzigtausend Mäuse im Arsch. Ich sage dir, der war ein Wahnsinniger.«
»Mario, ganz ernsthaft: Hast du eine Idee, wer für diese Sauerei verantwortlich sein könnte?«
Er starrte an mir vorbei durch die Windschutzscheibe, und Tränen liefen aus seinen Augen. »Ich weiß es nicht, Mann, ich habe keine
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