Eifel-Schnee
habe, mit ihm im Lo Stivale 'ne Pizza zu essen. Sicher, sage ich. Also marschieren wir ins FORUM und hocken uns in eine Ecke. Da sagt er plötzlich, ich könne hin und wieder was verdienen, wenn ich ihm Bescheid stoße, wann Stoff nach Daun gebracht wird, wer den Stoff bringt und was für Stoff. Ich frage ihn, Mann, eh, du machst doch gar nicht Drogen, und er sagt, das spielt keine Rolle, er müsse alles machen, was anfällt, weil sie nicht genügend Leute haben und weil das Verhältnis zu den uniformierten Bullen scheiße wäre. Er sagt: Ein Anruf kostet dich aus einer Zelle dreißig Pfennig, und ich gebe dir jedesmal für deine dreißig Pfennig einen Blauen.«
»Du bist nicht darauf eingegangen«, stellte Rodenstock fest.
»Ich? Mann eh, bin ich wahnsinnig? Der Arsch kann mich mal. Du wirst nicht erleben, daß ich wen hinhänge. Dieser Kremers ist doch ein Arschficker, ist das. Der ist so doof, daß ihn die Schweine beißen. Irgendwie ist er auch schmierig, weil er sein Grinsen nicht mehr abstellen kann. Nein, Herr Kremers, habe ich gesagt. Und dann wollte er meine Pizza nicht bezahlen.«
Ich fuhr die 410 ein Stück nach rechts, dann durch Pelm hindurch die Nebenstraße zum Adler- und Wolfspark hoch. Mario öffnete ein kleines Stück zusammengefaltetes Seidenpapier und schüttete etwas von den braungrünen Krümeln, die darin lagen, auf den Tabak, mit dem er das Zigarettenblättchen gefüllt hatte. Er drehte ganz locker und selbstsicher, steckte sich die Tüte zwischen die Lippen, nachdem er sie der Länge nach mit der Zunge naß gemacht hatte. »Es ist grüner Afghan«, erklärte er. »Das ist ein gutes Zeug, das du normalerweise hier nicht kriegst.«
»Und woher hast du das?« fragte Rodenstock.
»Extra für Weihnachten und Sylvester«, sagte er befriedigt. »Kostet das Doppelte, ist aus Holland, aber lohnt sich auch. Jimmy hat das mitgebracht.«
»Wer ist Jimmy?« fragte ich. Sein Joint roch stark nach Vanille.
»Kennst du sowieso nicht«, wehrte Mario ab. »Jimmy ist ein Kumpel. Er hat sich einen Dreier-BMW mit dem Zwei-Liter-Motor gekauft. Damit die Finanzierung glattgeht, saust er einmal im Monat rüber nach Amsterdam und kauft gut ein. Jimmy ist fast immer gut drauf, obwohl er sein eigenes Zeug nicht raucht, und noch nie E geschmissen hat.« Er grinste. »Jimmy ist eben ein guter Handelsmann.«
»Gibt es viele solcher Typen?« fragte Rodenstock.
»Ich denke doch. Ich kenne einen, der ist nicht von hier, der verdoppelt jeden Monat sein Taschengeld durch E und zwei, drei Kilo Hasch. Was habt ihr über Betty rausgefunden?«
»Nicht viel«, sagte ich. »Eigentlich nur etwas vom Lebenslauf und so. Wie war die Story zwischen Ole und Betty? Weißt du da was drüber?«
»Ja, aber nicht viel. Anfangs war es ja so, daß sie sich gehaßt haben. Betty machte mit allen möglichen Mackern rum, und sie war auf jeder Scheißdisko, egal ob in Trier oder Koblenz oder irgendwo auf dem Dorf. Das muß so vier, fünf Jahre her sein. Damals wurde geredet, daß sie ... daß sie es eben für Geld macht. Ole wollte nichts mit ihr zu tun haben, aber sie war scharf auf Ole. Damals passierte auch die Geschichte mit ihrem Vater ...«
»Moment, was war das für eine Geschichte?« unterbrach Rodenstock.
»Der kam vor den Kadi«, sagte Mario trocken. »Sie hat ihn angezeigt, sie hat ihren eigenen Vater angezeigt, sie hat behauptet, er hat sich besoffen und sie dann geschlagen und, na ja, eben hergenommen.«
»Selbstverständlich Freispruch«, vermutete ich.
»Scheiße, Mann«, sagte er mit einem kleinen Triumph, »der Alte mußte in den Knast.«
»Wenn ich dich richtig verstehe, hat die Betty mit vielen Männern geschlafen. Und das, nachdem ihr Vater verurteilt worden ist, wegen ...«
»Moment, nicht ganz so«, sagte er sachlich. »Sie hat einwandfrei als Nutte gearbeitet. Sie hat die Macker bezahlen lassen. Sie hat mir mal gesagt, das wäre die einzige Möglichkeit gewesen, ein paar Groschen für sich selbst zu haben. Sie war zwanzig, da kriegte sie sonntags fünf Mark Taschengeld. Sie wollte immer von zu Hause weg, und wenn damals der Blödeste ihr gesagt hätte, er würde sie heiraten – sie hätte ihn geheiratet, bloß um wegzukommen. Tja, und dann kam eben Ole. Er hat ihr gesagt, daß sie es nicht nötig hätte. Er würde für sie sorgen, und da brauchte sie es nicht mehr zu tun.«
»Und«, fragte Rodenstock sehr scharf, »hat sie es nicht mehr getan?«
Ich sah Marios Gesicht im Spiegel, ich beobachtete, wie er
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