Eifel-Schnee
Als er bezahlte, stand dieser junge Mann hinter ihm. Diesmal in Uniform. Er war bei der Bundeswehr, er war Leutnant. Wenn er jetzt sagt, ich soll mich an die Geschichte erinnern, dann muß er eine Spur in Richtung Bundeswehr gemeint haben, oder?«
Rodenstock nickte und zückte sein eigenes Telefon. »Hoffentlich geht das nicht in die Hose, hoffentlich ist diese Geschichte für den Mario nicht zehn Nummern zu groß. Gib mir mal die Nummer von diesem Arzt!«
Ich diktierte sie ihm. »Er heißt Peuster.«
»Herr Peuster? Rodenstock hier, Sie erinnern sich. Können Sie mir sagen, wie die beiden getötet worden sind?«
Er hörte eine Weile zu, sagte dann artig »Danke und auf Wiederhören« und unterbrach die Verbindung. »Es sieht so aus, als hätte man ihnen schlicht und einfach das Genick gebrochen. Es gibt Leute, die das draufhaben. Sie fassen den Kopf, winkeln ihn leicht an und drehen dann mit einem gewaltigen Ruck. Wenn das stimmt, haben wir es mit Profis zu tun, zumindest mit Leuten, die äußerst brutal vorgehen.«
»Was bedeutet das für uns?«
»Daß irgend etwas im Hintergrund eine Rolle spielt, von dem wir noch keine Ahnung haben«, sagte er düster. »Ich sollte mit der RG 25 im Bundeskriminalamt sprechen. Aber ich weiß nicht, wer die Abteilung leitet.«
»Kannst du das für den zweiten Bildungsweg übersetzen?«
»RG bedeutet Rauschgift. Die Nummer 25 meint die sogenannte Rauschgiftlage. Das kann nur Deutschland betreffen oder aber Europa oder andere Teile der Welt. Die Jungs sind gut, sie wissen ziemlich genau, welche Stoffe an welchen Punkten konzentriert oder gar nicht auftreten, sie kennen die Situation an den Grenzen, sie können ziemlich genau sagen, was in der Eifel, im Hunsrück, im Westerwald gebacken wird. Das ist praktisch Geheimdienstarbeit. Ich möchte mich an die heranrobben.« Er nahm das Handy, das auf dem Brettchen mit dem Schinken lag, und lächelte schmal: »Ich versuche das jetzt mal.«
Dann ging er hinaus. Immer, wenn etwas bei Telefonaten unsicher schien, wollte er allein sein. Ich hörte, wie er im Flur zu Paul sagte: »Nun bete mal zu deinem Katzengott, daß ich Erfolg habe.«
Ich dachte darüber nach, was Mario über eine mögliche Geldkassette gesagt hatte, und ganz automatisch fiel mir Thomas Schwarz ein. Er war ein langer Lulatsch, ein dürrer großer Mann, vielleicht 30 Jahre alt. Er sagte von sich selbst, er sei ein Schrottmann. Schon während seiner Jugend war er mit seiner Mutter vom heimischen Mehlem aus in die Eifel gefahren. Er war zum Sammler geworden. Erst sammelte er Steine, dann zu Steinen gewordene Fossilien, später alte Flaschen. Schließlich hatte er bei der Sprengmittelräumung zu arbeiten begonnen, hatte im Bereich des eiflerischen Hallschlag geholfen, die Uraltmunition einer Fabrik zu orten, und gehörte zu jenen, die wütend sagten: »Da liegt noch alles voll, da liegt noch Giftgasmunition.« Da aber die Gesetzeshüter sich entschlossen hatten, alte Munition nur auf dem Fabrikgelände zu vermuten und nicht auf den Ackern nebenan, fühlte sich Schwarz zuweilen wie ein Rufer in der Wüste, der unnütz heiser wird. Es gab auch Leute, die Thomas Schwarz den »Immergrün-Mann« nannten, weil er zusammen mit den Archäologen herausgefunden hatte, daß auf altem und uraltem menschlichen Siedlungsgelände in der Eifel vor allem Immergrün wächst. Ehemalige Weiler und Dörfer, die während des Dreißigjährigen Krieges brandverheert für immer verschwunden waren, oder Dörfer, deren Einwohner wegen bitterer Armut im 18. und 19. Jahrhundert ausgewandert waren und deren Häuser andere Dörfler abgerissen hatten, um eigene zu bauen, konnte Thomas Schwarz orten: Es gab dort massenhaft Immergrün. Er war ein Sachensucher, und seit er bei einem Unternehmen für Sicherheit angeheuert hatte, suchte er seine Sachen zumeist mit einem Metalldetektor.
Ich rief ihn an und erwischte ihn sofort, mußte allerdings warten, bis er zu Ende gehustet hatte.
»Entschuldigung«, keuchte er, »ich habe eine Bronchitis, und Uli hat eine Grippe. Eigentlich müßten wir Antibiotika schlucken, aber die Apotheken in Bonn sind leer gekauft. Was kann ich für dich tun?«
»Könntest du mit einem Detektor eine Metallkassette finden? So etwa in der Größe eines Schuhkartons?«
»Kein Problem. Bei dir in der Gegend gab es zwei Tote bei einem Brand, nicht wahr? RTL hat eben in den Nachrichten gesagt, es war wohl Doppelmord.«
»Es geht um diesen Fall«, bestätigte ich. »Und ich werde
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