Eifel-Schnee
Dann lächelte er. »Es gibt Leute, denen macht der liebe Gott die Erde schwer. Und Ole war so einer. Da habe ich Hochachtung.«
»Wir können Sie natürlich nicht fragen, was er beichtete«, sagte ich. »Aber würden Sie uns helfen, Öles Leben zu rekonstruieren?«
»Da helfe ich gern«, nickte er. »Zu den offiziellen Beichten kam er nie. Er kam immer, um mit mir zu schwätzen. Ich denke, ich war nicht der Pfarrer für ihn, ich war ein Freund. Ich kann auch nicht begründen, warum es so war.«
»Es geht um die Drogen«, sagte Rodenstock. »Ole hat sie verteilt.«
»Er hat sie verkauft«, stellte Buch richtig. »Das war einfach so. Ich habe ihm gesagt, ich halte das für eine Schweinerei.«
»Hat er je über einen Holländer namens Jörn van Straaten gesprochen?« fragte Rodenstock.
»Das hat er. Der Mann gab ihm Rätsel auf. Aber ehrlich gestanden, weiß ich nicht, wie diese Rätsel aussahen, wir haben nur einmal ganz kurz über diesen Mann geredet.«
»Wie stand er zu Betty?« wollte ich wissen.
»Er hat sie geliebt, eindeutig. Sie wissen ja, wie wortkarg diese Jungmannen in der Eifel sind. Kommt ein junger Ehemann nach der Arbeit nach Hause. Quengelt seine Frau: Nie sagst du mir, daß du mich liebst! Tut er empört: Ich sage dir das jeden Tag! Oder gieß ich dir etwa morgens keinen Kaffee ein?« Er grinste. »Ole hat Betty geliebt. Und wie! Es war schön zuzusehen. Sie haben versprochen, hierher zu kommen und sich von mir trauen zu lassen.«
»Aus Kanada?«
»Aus Kanada«, nickte er. »Ole hat es immer schwer gehabt. Meistens hatte er den Vater gegen sich. Und der Vater war auch gegen Betty.«
»Das wissen wir«, murmelte Rodenstock. »Aber es verwirrt uns, daß Ole angeblich seine Betty an die Staatsanwaltschaft verraten haben soll.«
»Wie bitte?« fragte der Pfarrer verblüfft.
Ich berichtete, was Mehren erzählt hatte.
Er hörte aufmerksam zu, schüttelte ein paarmal den Kopf, nickte, schüttelte wieder den Kopf.
»Bei uns ging es zu wie unter Männern«, erklärte er. »Er erzählte, er hätte ein paar Probleme mit Betty. Und sie war ja wirklich ein lockerer Vogel! Ole sagte aber auch, er müsse nur ein paar Tricks anwenden, um sie wieder zur Vernunft zu bringen. Mach das, habe ich gesagt, im Krieg und in der Liebe ist schließlich fast alles erlaubt.«
»Tricks?« hakte ich nach. »Hat er gesagt, welche?«
»Hat er nicht. Aber er schien sich seiner Sache ganz sicher zu sein. Es ist ja auch komisch, daß die ganze Eifel anzunehmen scheint, daß Ole damit angefangen hat, Drogen zu verscherbeln. Er war es gar nicht, es war Betty.«
Rodenstock schaute zu mir herüber. »Wieso war es Betty?«
»Na ja, er hat es so erzählt, und ich hatte nie Zweifel daran, daß es sich tatsächlich so verhielt. Sie hat die Brücke zu den Dealern geschlagen.«
»Zu Leuten in Köln?« fragte ich.
»Das weiß ich nicht. Ich habe sicherheitshalber nie nach diesen Leuten gefragt. Es ist nicht gut, wenn ein Pfarrer zuviel weiß«, lächelte Buch.
»Also, Sie glauben nicht, daß Ole Betty verraten wollte?« vergewisserte sich Rodenstock.
»Richtig, das glaube ich nicht. Er hat niemals davon gesprochen, daß diese Sache mit Betty in Gefahr geraten sei. Wenn er sie verraten hätte, wäre die Geschichte doch zu Ende gewesen, oder? Aber die Geschichte war nicht zu Ende, eigentlich fing sie erst an. Sie bekam doch ein Kind von ihm, und einmal saß er da, wo Sie jetzt sitzen, und heulte vor Freude über das Kind, das Betty erwartete.«
»Das ist alles sehr verwirrend«, murmelte Rodenstock.
»Hat Ole jemals erwähnt, daß er Angst hatte?« fragte ich.
»Nein.« Buch war sich ganz sicher. »Er war kein ängstlicher Mensch. Weiß man denn jetzt, wer für ihren Tod verantwortlich ist?« • Rodenstock schüttelte den Kopf.
»Ole hat sich so auf Kanada gefreut. Er sagte, in Kanada wäre so manches nicht mehr nötig, was hier zum Überleben notwendig sei. Ich nehme mal an, er meinte die scheußlichen Drogen. Er hat gesagt, eigentlich brauchte nur ein bestimmter Mensch zu sterben, dann seien seine Probleme vorbei. Ich habe natürlich an seinen Vater gedacht und ihm Vorhaltungen gemacht, er dürfe so etwas nicht einmal denken.«
Rodenstock starrte aus dem Fenster. »Kann es nicht sein, daß er einen ganz anderen Menschen meinte?«
»Möglich«, nickte Buch. »Aber das ist jetzt schrecklich egal, nicht wahr?«
»Das sehe ich nicht so«, widersprach Rodenstock.
»Wen meinst du?« fragte ich.
»Na, Kremers«, entgegnete
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