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Eifel-Schnee

Eifel-Schnee

Titel: Eifel-Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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rechts vom Dom.« Sie zündete sich eine Zigarette an und starrte dann aus dem Fenster. »Angefangen habe ich als richtige Bordsteinschwalbe. Das weißt du wahrscheinlich auch, das weiß hier jeder. Wir waren vier Kinder, ich war die Älteste ...«
    »Wie alt bist du eigentlich?«
    »Vierundzwanzig. Ich habe noch eine Bitte, Baumeister. Wenn du drüber schreibst, schreibst du dann die Wahrheit und nicht irgendeinen Scheiß?«
    »Wie wäre es, wenn ich dir den Text vorher zur Kontrolle gebe?«
    »Das wäre gut«, sagte sie erleichtert. »Meine Mutter, die ich heute noch unterstütze, weil sie es verdient hat, war eigentlich von Anfang an alleinerziehende Mutter. Wir vier Kinder stammen von drei Männern, und keiner hat meine Mutter geheiratet, und jeder hat sich um die Zahlungen gedrückt. Ich hatte immer nur einen Stiefvater, meinen richtigen habe ich nie kennengelernt.« Melanie kicherte, und es war nicht klar, ob nicht ein Weinen darunter lag. »Klingt ganz schrecklich, ich weiß. Ist immer so, als hätte das Leben mich benachteiligt. Hat es aber nicht, ich kann ja was tun. Meine Mama hat als Bediene und als Putzfrau gearbeitet. Meistens hatte sie drei, vier Jobs gleichzeitig, und ich war für meine Geschwister da. Ich war fünfzehn, als ich eine Lehrstelle suchte und keine fand. Wahrscheinlich habe ich keine gefunden, weil ich keine finden wollte. Glaube ich heute. Ich war in einer Jungen- und Mädchenclique, und wir waren alle frühreif und haben alle schon mit zwölf Jahren angefangen, miteinander zu schlafen. Das war normal. Die anderen hatten dann Freunde und Freundinnen, nur ich machte das etwas anders. Ich habe das Leben schon immer etwas anders erledigt.« Sie lächelte leicht. »Wir waren dauernd auf der Domplatte bei den Touristen und hauten die um ein paar Mark an, wir waren richtige Gossenkinder. Und ich merkte, daß besonders die japanischen Macker auf mich standen. Also habe ich mich drauf eingestellt. Zur Clique gehörte auch Herbert, den wir Herbie nannten. Der war so ähnlich wie ich. Ich fragte ihn, ob er mein Zuhälter sein wollte. Er wollte. Wir zockten Japaner ab. Das lief wie irre. Na gut, nur im Winter war es nicht so doll. Wir hatten im Keller einen Raum hergerichtet. Da schleppte ich die Japaner rein. Ich kassierte verdammt gut. Herbie sorgte dafür, daß ich richtig steile Klamotten hatte und so. Natürlich haben wir gekifft und ab und zu E geschmissen.
    Herbie fing dann an, Koks zu besorgen. Das bringt einen echt gut drauf, Mann, und es besteht keine Gefahr von Schmerzen oder sowas bei körperlichem Entzug. Du kannst jederzeit ohne Schwierigkeiten aufhören. Dann begann Herbie zu dealen. Wir verkauften den Japanern also erst mal Sex und dann auch Koks. Die Koksdealerei nahm immer größere Dimensionen an, und wir hatten ein Auto, ein Funbike und sparten auf eine Eigentumswohnung. Herbie war ständig gut drauf und zog jeden Tag mindestens drei, vier Lines Koks. Schließlich holte er sich das Zeug selber in Frankfurt. Dabei lernte er die big shots des Gewerbes kennen. Und die ziehen jeden Tag bis zu zehn Gramm Koks! Herbie fand das alles ganz irre, er kokste immer mehr. Na klar, wir haben nicht daran gedacht, daß man auch seelisch von dem Zeug abhängig werden kann. Daran starb Herbie dann.« Melanie blinzelte und drückte den Zigarettenrest im Aschenbecher aus.
    »Was ist mit ihm passiert?«
    »Er war zum Schluß nervlich vollkommen auf dem Hund. Eines Abends flippte er aus und behauptete, unten auf der Straße würden Hunderte von Bullen auf ihn warten. Auf der Straße war gar nichts. Er schnitt Löcher in die Fenstervorhänge, um das besser beobachten zu können. Dann fiel er um und hatte eine Atemlähmung. Das kommt bei Kokain eben vor, man nennt das ZNS-Lähmung. Ich habe zugehört, wie er krepierte. Oh, mein Gott, ich kann immer noch nicht drüber reden.«
    Sie weinte still, und ich ließ sie in Ruhe.
    »Na ja, wir haben Herbie beerdigt, und das Leben mußte weitergehen. Ich habe dann abends als Bediene in einer Altstadtkneipe gearbeitet und anschließend als Bardame im Eve. Das war ganz schön heavy, aber ich kam über die Runden – bis ich Jonny aus Gerolstein kennenlernte.« Sie kicherte wieder. »Er war richtig süß. Er hatte null Erfahrung, tat aber immer so, als wäre er der Kaiser von China. Und Bares hatte er. Ich habe ihn mir als Stammkunden an Land gezogen. Manchmal hat er mich für eine Nacht ausgelöst, und ich war nur für ihn da. Eines Tages fragte er: Wie wäre es,

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