Eifel-Schnee
Ich wollte alles gleichzeitig tun: die Polizei benachrichtigen, Dinah in den Arm nehmen und trösten, das gleiche mit Schappi tun, den Bauern fragen, was zum Teufel ihn denn veranlaßt habe, plötzlich als tatkräftiger, äußerst anständiger Mensch aufzutreten, und gleichzeitig unsere drei Gefangenen ein bißchen befragen. Ach ja, und ich wollte selbstverständlich Rodenstock aus dem Krankenhaus heimrufen. Ich weiß, daß ich von allem ein bißchen tat, aber nichts gründlich. Das Durcheinander hatte mit meiner Verdauung zu tun. Auf Momente höchster Erregung und Angst pflegt mein Körper mit einem Zustand zu reagieren, den die Kölner so liebevoll ,de flökke Pitter' nennen und der gemeinhin im Volke, Dünnschiß' heißt.
Bauer Mehren hatte die Abordnung junger Männer aus Kölns sündiger Meile der Einfachheit halber erst einmal in der Garage verstaut, was ihnen bei minus acht Grad einen leichten Dämpfer versetzte. Dann hatte er sich mit einer Flasche meines aufgesetzten Schlehenschnapses an meinen Schreibtisch gesetzt, um ein wenig fassungslos das Chaos zu betrachten und sich gleichzeitig vorsichtshalber vollaufen zu lassen.
Rodenstock hatte es fertiggebracht, trotz dieser Unzeit einen Taxifahrer aufzutreiben und zu uns zurückzukehren. Er zog sich einen Stuhl so nahe wie möglich an Mehren heran, nickte ihm zu und hielt ihm ein leeres Wasserglas hin, um bei der Vernichtung des Aufgesetzten mannhaft mitzuwirken. Etwa alle zehn Minuten wiederholte er: »Baumeister, du solltest mir gelegentlich mitteilen, was in diesem kleinen Haushalt während meiner Abwesenheit vor sich gegangen ist.«
Dinah ging es nach einer Stunde alles in allem besser. Der Anfall von Migräne war verschwunden, der Magen hatte sich beruhigt, sie konnte drangehen, die Welt neu zu entdecken. Sie hockte in einem Sessel. Schappi pendelte zwischen Dinah und seinem Vater, den er einigermaßen fassungslos betrachtete.
Nur ich spielte zunächst in dem Ensemble kaum eine Rolle, da ich fortwährend mit der Entleerung meines Darmes beschäftigt war.
Schließlich tauchte ein Streifenwagen auf, dessen Besatzung die Abordnung aus Köln liebevoll auf den Rücksitz packte und mit ihnen verschwand. Dann fuhr ein schwarzer Ford Scorpio vor und spuckte einen langen Mann aus, der sich mit: »Gestatten, Volkmann, Staatsanwaltschaft!« vorstellte und dann fragte: »Was war denn eigentlich hier los?«
Als ich freundlich antwortete, ich könne ihm weiterhelfen, schlug er vor, in die große Stube hinüberzuwechseln. Rodenstock gab sich als ehemaliges Mitglied der Mordkommission zu erkennen und bekam die Erlaubnis, sich zu uns zu gesellen.
Volkmann kramte einen Schreibblock aus seiner Aktentasche, dazu ein kleines Diktiergerät. Er schaltete es ein und sagte auffordernd: »Herr Baumeister, was ist passiert?«
Ich berichtete so konzentriert wie möglich und hängte dann die Frage an: »Sind Sie auch an dem Ermittlungen über den Doppelmord in Junkerath beteiligt?«
Er nickte. »Deshalb bin ich hier. Wir dachten gleich, daß die Ereignisse zusammenhängen. Ich finde es erstaunlich, daß man der Staatsanwaltschaft so wenig Hirn zutraut.«
»Sie sollten mehr Werbung machen«, murmelte Rodenstock. »Wir sind auf eine Sache gestoßen, die mir sehr delikat erscheint. Mein Freund Baumeister ist Journalist, wir recherchieren den Fall, da er damit seine Brötchen verdient. Uns ist dieser Kriminalbeamte namens Kremers aufgefallen, der es offiziell ablehnt, etwas mit der Drogenszene zu tun zu haben. Er leugnet auch, jemals mit Ole oder Betty zusammengetroffen zu sein, obwohl wir das Gegenteil wissen. Drüben im anderen Raum sitzt der Vater von Ole Mehren. Bei dem war Kremers auch. Kremers hat sehr viele direkt und indirekt Beteiligte an dem Fall manipuliert. Das ist beweisbar. Wer, Herr Staatsanwalt, ist dieser Dieter Kremers?«
Volkmann seufzte und grinste leicht. »Das war eine lange Rede. Tja, wer ist Kremers? Er ist ein sehr guter Kriminalbeamter, er hat in einigen Fällen hervorragende Arbeit geleistet. Wenn er behauptet, mit diesem Drogenfall nichts zu tun zu haben, dann kann es gleichzeitig trotzdem sein, daß er von den Drogenspezialisten aus Wittlich den Auftrag bekommen hat, Antworten auf kleine Nebenfragen zu finden. Wie Sie wissen, haben wir zu wenig Personal, und da kommt es immer wieder vor, daß irgend jemand, der gerade an Ort und Stelle ist, gebeten wird ...«
»Moment, Moment«, ging ich dazwischen. »Ihre Beredsamkeit in Ehren, aber uns geht es um
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