Eifel-Schnee
ich. »Da stimmt doch etwas grundsätzlich nicht. Was hat Ole gesagt, Herr Mehren: Wenn er Betty an die Staatsanwaltschaft ausliefern will, wie wollte er das deichseln, ohne sich selbst zu belasten?«
»Ole sollte den Kronzeugen machen. Außerdem sagte Kremers zu mir, könne man ja ein bißchen tricksen, ein bißchen nachhelfen.«
»Das ist alles nicht wahr«, stöhnte Dinah rauh. »Und wie sollte der Trick aussehen?«
»Deswegen ist Kremers ja im Sommer so oft gekommen. Die Idee war von ihm. Die Polizei sollte bei einer Razzia Drogen finden. Das sollten Drogen sein, mit denen Ole nichts zu tun hat. Mit denen nur Betty in Verbindung gebracht werden könnte. Ich verstehe ja von dem ganzen Scheiß nicht so viel, aber ich wollte Ole von dieser Frau wegkriegen, egal mit welchen Mitteln. Also habe ich gesagt: Dann tricksen Sie mal, Herr Kremers.« Mehren beugte sich über die Schreibtischunterlage, als wollte er im Boden versinken.
»Was passierte dann?« fragte Dinah.
»Einmal kam Kremers mit einem ganzen Karton mit kleinen Glasbehältern. Die waren voll mit Valium, das kennt man ja als Beruhigungsmittel. 40.000 Stück. Ein anderes Mal brachte er einen Beutel mit, so einen Plastikbeutel. Da war weißes Pulver drin, Kokain. Kremers sagte, es sei sehr hochwertig und würde mindestens zehn Jahre Knast bedeuten. Es war ein volles Kilo.«
»Und bei allem hat Ole mitgespielt?« Dinahs Stimme war schrill.
Mehren schüttelte den Kopf. »Er war einverstanden, daß er gegen Strafverfolgungsaussetzung Betty liefert. Aber von Kremers Tricks wußte er nichts. Kremers meinte, es wäre ganz wichtig, daß Ole das nicht weiß, damit er echt überrascht wirkt, wenn die Bullen das Zeugs finden.« Er trommelte mit den Fingern der rechten Hand auf die Schreibtischplatte.
»Sie haben Ihren Sohn verkauft«, flüsterte Dinah. »Richtig verkauft.«
Der Bauer nickte betulich, als sei das eine Selbstverständlichkeit. »Ich war außer mir, ich sah meinen Jungen für Jahrzehnte im Knast verschwinden oder aber verheiratet mit dieser Betty, die ihn doch dauernd beschiß.«
»Und was, verdammt noch mal, hat Ihre Meinung verändert?« fragte ich bitter.
»Kremers hat angerufen. Gestern. Er hat gesagt, ich soll das Zeug im Werkzeugkasten bei den Landmaschinen nicht vergessen. Er sagte, sie sind tot, und wir brauchen es dort nicht mehr ...«
»Hör auf zu labern«, Dinahs Stimme war etwas schrill. »Wir wollen wissen, warum Sie Ihre Meinung geändert haben?! Wieso helfen Sie uns jetzt, wieso?«
Er starrte auf seine Hände. »Wieso? Ich meine, was ...« Er guckte uns an und sah uns doch nicht. »Sie. Ich war im Sommer betrunken, ziemlich betrunken. Und da war diese Betty, und ich hatte die Wahnsinnsidee: ich nehme sie in die Mangel, ich nehme sie richtig her. Ich weiß nicht ... jedenfalls ist das so gelaufen.« Mehren beugte seinen Kopf weit über die Tischplatte. »Sie schrie dann, genauso hätte ihr Vater sie auch schon behandelt.« Er schwieg.
»Wann will Kremers kommen, um das Zeug abzuholen?« fragte ich.
»Heute abend«, antwortete er todmüde.
»Dinah, fahr mit Mehren«, bat ich. »Fotografier den Schuppen mit den Landmaschinen, den Werkzeugkasten und die Drogen da drin. Laß sie da, nicht mitnehmen, nur Proben ziehen. Okay?«
»Okay«, sagte sie.
Gleich darauf fuhr sie mit Mehren und Schappi vom Hof.
»Wie geht es eigentlich Mario?« erkundigte ich mich bei Rodenstock.
»Erstaunlich gut«, sagte er. »Aber ich denke, die Geschichte ist noch lange nicht ausgestanden. Ich brauche dringend ein Frühstück, auf nüchternen Magen ist das alles so schwer zu ertragen.«
»Wie kann Ole Betty ausliefern wollen?« fragte ich ratlos.
»Vielleicht war alles anders? Vielleicht wissen wir etwas ganz Entscheidendes gar nicht. Wir müssen auf jeden Fall nach Holland.«
»Ich möchte erst zu diesem Pfarrer, Heinrich Buch. Kann ja sein, daß er was weiß.«
»Bei einem Katholiken kann ich dir nur raten, alle Hoffnung fahren zu lassen. Nimmst du mich mit?«
Pfarrer Heinrich Buch, das teilte er uns als erstes mit, war pensioniert und hatte akut mit dem Wort des Herrn nichts mehr zu tun. Er war ein echter Häuptling Silberhaar, sah außerordentlich eindrucksvoll aus, zählte wohl mehr als siebzig Jahre und antwortete auf meine Frage, ob er denn Ole Mehren gut gekannt habe, erstaunlicherweise mit: »Ja, ich hatte die Ehre.«
»Wieso Ehre?« fragte Rodenstock irritiert.
»Ich habe Ole immer für etwas Besonderes gehalten«, antwortete Buch.
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