Eifel-Schnee
der Wand gerissen und zu Trümmern verarbeitet.
»Hast du eine Ahnung, was das alles wert war?« fragte Rodenstock.
»Nicht die Spur«, entgegnete ich. »Ich werde das alles fotografieren und erst dann aufräumen. Morgen vielleicht.«
»So gefällst du mir schon besser«, murmelte er und verschwand nach oben in sein Zimmer. »Es gibt nur einen Grund, mich zu wecken«, rief er drohend herunter.
»Und wann ist der Zeitpunkt gekommen?« fragte ich.
»Wenn dieses Haus brennt.«
Ich ließ es langsam angehen, holte vom Dachboden eine dicke Folie und zog die über das zerschlagene Fenster zum Garten hin, damit wir die Küche wenigstens zum Kaffeekochen benutzen konnten. Dann hockte ich mich im Kaminzimmer auf einen Sessel und hörte eine CD von Keith Jarrett, und ich spürte, wie Müdigkeit in mir hochkroch und mich in wohlige Trägheit hüllte.
Plötzlich war Dinah da und sagte, sie habe eine Probe des Kokains von Mehren mitgebracht und Rodenstock solle probieren, um herauszufinden, wie gut es sei.
»Nicht jetzt. Laß ihn schlafen. Wir haben beschlossen, bis morgen früh eine Pause einzulegen.«
»Ihr zeigt ja Reste von Vernunft«, spottete sie. »Mehren ist in saumäßiger Verfassung, er will dich sprechen. Ich vermute mal, ein Gespräch unter Männern. Der Mann ist echt infarktgefährdet, denke ich. Er kapiert langsam, was mit seinem Sohn wirklich geschehen ist. Zuletzt sah ich ihn im alten Schweinestall stehen und hemmungslos weinen. Der braucht Hilfe.« Dann setzte sie in einem Anfall von Arbeitswut hinzu: »Ich räume jetzt das Chaos da drüben auf.«
»Kommt nicht in Frage«, sagte ich. »Es wird besser sein, wir bestellen den Versicherungsfritzen hierher. Laß uns ins Bett gehen.«
»Du Lüstling«, entgegnete sie. »Aber das hört sich gut an.«
SECHSTES KAPITEL
Ich war der erste, der das Stillhalteabkommen brach. Nachdem wir einen Tag und Nacht geschlafen, herumgetrödelt, gelegentlich die Fernsehnachrichten gesehen, seltener einen Kaffee getrunken, kaum miteinander gesprochen hatten und uns auf eine drastische Weise auf den Geist gegangen waren, brach ich am nächsten Tag frühmorgens auf. Dinah und Rodenstock diskutierten währenddessen noch lauthals mit dem Versicherungsmann, der selbstverständlich der Meinung war, daß sein Unternehmen für derartig abartige Zerstörungen nicht zuständig sei. Er wiederholte dabei ständig einen Satz, den ich seither hassen gelernt habe: »Mein Unternehmen ist nun weiß Gott sehr kulant ...«
»Ich bin mal kurz weg«, sagte ich in die erregte Diskussion hinein.
Selbstverständlich war Melanie eine Nachteule und lag noch in tiefem Schlaf. Ich mußte oft klingeln, bis sie mit schlaftrunkener Stimme maulte: »Ist da einer pervers?«
»Ich bin es, Baumeister. Ich habe noch ein paar wichtige Fragen.«
Sie öffnete. Glücklicherweise war sie kein Morgenmuffel. »Das kostet dich eine Pulle Schampus«, grinste sie. Sie trug einen weit klaffenden Morgenmantel über einem durchsichtigen Nachthemdchen und sah ohne alle Kriegsbemalung wie ein kleines verletzliches Mädchen aus.
»Ich muß einen Schluck trinken. Ich habe heute nacht zuviel erwischt, ich habe Kopfschmerzen.« Sie stand vor dem neogotischen Schrank und öffnete eine Doppeltür. Dahinter war, indirekt beleuchtet, eine Galerie von Flaschen zu sehen. Sie goß sich einen Kognak ein und trank einen kleinen Schluck. Dann hockte sie sich mit untergezogenen Beinen auf einen Sessel.
»Du hast gesagt, Ole und Betty hätten dir gefallen. Hast du etwas davon gemerkt, daß die Qualm in der Küche hatten?«
»Nein«, antwortete sie. »Im Gegenteil. Sie waren für Eifler Verhältnisse erstaunlich liebevoll zueinander, und sie waren endlich mal ein Pärchen, das keinen Beziehungsknatsch zu haben schien. Das freut einen doch, oder?«
»Eigentlich bin ich hier, um dich zu bitten, mir die ganze Geschichte von Kremers zu erzählen. Ich habe dich nämlich in Verdacht, sehr vieles verschwiegen zu haben. Er hat doch Jonny Straffreiheit zugesichert, wenn Jonny ihm die Dealer liefert. Richtig so?«
»Richtig so«, nickte sie. Sie war jetzt aufgeregt, eine Spur blasser. »Warum sollte ich dich bescheißen, Baumeister? Es gibt doch keinen Grund.«
»Vielleicht doch«, meinte ich. »Und ich könnte dich auch verstehen, wenn es so wäre.«
Sie kicherte etwas gequält. »Das mußt du mir erklären.«
»Erzähl mir ein bißchen von dir, dann erkläre ich dir, was ich meine. Du bist aus Köln, das weiß ich.«
»Ja. Altstadt,
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