Eifel-Schnee
Straaten hier. Wir können es nicht beweisen, aber er scheint bei einem Doppelmord im Drogenmilieu in der Eifel eine Rolle zu spielen. Man hat uns von Seiten der Polizei in s'Hertogenbosch geraten, uns an Sie zu wenden. Man sagte, Sie haben trübe Erfahrungen mit van Straaten gemacht.«
»Das ist richtig«, murmelte die Frau. »Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Vielleicht etwas zu essen? Es ist gut, bei diesem schrecklichen Thema etwas im Magen zu haben.« Und ohne eine Antwort abzuwarten, griff sie zu einem Telefon und bestellte etwas.
»Herr Doktor Kerk, ist Ihre Tochter, der die Geschichte passierte, im Haus?« fragte ich.
»Nein«, sagte er. »Sie macht eine Therapie in Alkmaar. Das ist etwa 35 Kilometer entfernt. Wir haben uns dafür entschieden, weil sie nahe an einer Psychose gelebt hat und weil es im späteren Leben sehr schwierig ist, derartige Erfahrungen zu verarbeiten.«
»Wann hat diese Geschichte begonnen?«
»Das war vor etwa zwei Jahren«, berichtete die Frau und rieb ihre Hände, als sei ihr kalt. »Tina, so heißt unsere Tochter, war zu Besuch bei einer Klassenkameradin hier in Amsterdam. Auf diesem Fest war auch Jörn van Straaten. Er ist zweifelsfrei ein sehr eindrucksvoller Mann. Natürlich könnte er ihr Vater sein, aber das hält ihn keinesfalls davon ab, mit den Mädchen ins Bett zu gehen. Ich will es kurz machen. Er mietete meiner Tochter Tina ein Apartment. Übrigens ganz hier in der Nähe. Sie zog aus, wir ahnten nichts von dem Mann. Klar, wir haben uns gefragt, wie das Kind denn die Miete aufbringt. Aber wir haben nicht gefragt, wir wollten nicht indiskret sein, und wir wußten genau, daß sie eine harte Arbeiterin ist, wenn sie etwas haben will. Wir dachten, sie wird irgendwo einen Job als Bedienung haben. Sie trafen sich ungefähr zwei Monate lang. Er reiste, wie wir später erfuhren, jedesmal aus s'Hertogenbosch an. Nach diesen zwei Monaten kündigte er das Apartment, sagte unserer Tochter aber nichts. Er kam einfach nicht mehr. Sie ... sie flippte aus, sie wurde schier verrückt, denn sie liebte den Mann tatsächlich.«
Dinah räusperte sich. »Ich vermute, Ihre Tochter kam dann zu Ihnen und erzählte diese traurige Geschichte?«
»Ja«, nickte der Arzt. »Natürlich wurde sie nicht zum Abitur zugelassen, natürlich verlor sie mehr als ein Jahr. Sie verlor aber auch alle Selbstachtung. Ich bin kein Psychologe, aber ich denke, sie wollte sich bestrafen. Sie versuchte, das Apartment zu halten und durch Prostitution zu bezahlen. Es war ein langer demütigender Prozeß – für alle. Ich bin dann nach s'Hertogenbosch gefahren, um mit van Straaten zu sprechen. Wir dachten, daß es für unsere Tochter einfacher sein würde, wenn sie die Chance bekäme, ihm ein paar Fragen zu stellen. Van Straaten war ganz cool, wie die Jugendlichen heutzutage sagen.
Er sagte, ja, er habe meiner Tochter ein Apartment gemietet. Ja, er habe mit ihr geschlafen. Er meinte auch, unsere Tochter sei großjährig und könne tun und lassen, was sie will. Dann sagte er, ich solle ihm nicht seine Zeit stehlen und seinen Laden verlassen. Das habe ich getan.«
»Also eiskalt?« fragte Dinah.
»Warten Sie ab«, fuhr Frau Kerk fort. »Es ging weiter.«
»Rechtlich konnten wir wenig tun«, begann ihr Mann erneut. »Das war uns von Beginn an klar. Als ich seinen Laden verließ, war es schon Abend, ich übernachtete also in s'Hertogenbosch. Am nächsten Morgen war mein Auto ein Wrack. Es war nichts mehr heil an dem Ding. Ich kann nichts beweisen, aber ich denke, er wollte mich warnen, daß ich ihn nie mehr belästige. Meine Tochter hat auf diese Weise mindestens zwei Jahre ihres Lebens verloren.«
»Hat er Ihrer Tochter Drogen angeboten?« erkundigte ich mich.
»Niemals«, sagte die Mutter. »Wir waren bei der Polizei und erfuhren, daß van Straaten angeblich etwas mit Drogen zu tun hat. Aber Tina konnte das nicht bestätigen. Sie sagte, er hätte hin und wieder gekifft, aber was besagt das schon. Tina jedenfalls hat keine Drogen genommen, und er hat ihr auch keine angeboten.«
Kerk lächelte ein wenig bitter. »Wir wissen, daß wir keine gute Quelle sind. Aber wir haben noch etwas für Sie.« Er spitzte den Mund und atmete stoßweise aus, er war sehr erregt. »Ich habe den Mann zeitweise gehaßt, es hat keinen Sinn, das abzustreiten. Ich bin Neurochirurg mit eigener Klinik, ich brauche Gelassenheit und Ruhe. Aber diese Sache hat mich fast Kopf und Kragen gekostet. Ich ging also zu einem Detektiv und
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