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Eifel-Schnee

Eifel-Schnee

Titel: Eifel-Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Gott, ihr seht nach guter deutscher Sitte richtig moralinsauer aus. Locker, Leute, locker!«
    »Wir haben dich erneut überfallen«, begann Rodenstock, »weil ich diesen van Straaten noch genauer kennenlernen möchte. Woher kommt er, was ist das für ein Typ?«
    »Das meiste steht in den Akten, und das Beste ist natürlich das, was nicht in den Akten verzeichnet wurde. Du kennst ja meine Vorliebe für psychologische Motivierungen, Rodenstock. Also, ich persönlich glaube nicht, daß er außerordentlich geldgeil ist. Wenn Geld anfällt, gut, wenn keines zu verdienen ist, auch gut. Sein Motiv ist ein anderes. Er findet das Leben in dieser Gesellschaft hier stinklangweilig. Er ist ein stinkreicher Mann, der sich zu Tode langweilte, bis er auf die Sache mit den Drogen stieß. Und deshalb ist seine Abschirmung auch so perfekt. Er hat unendlich viel Zeit, jeden Coup zu planen. Das Spiel macht ihm Spaß, es ist das Spiel eines Solisten gegen die ganze Gesellschaft. Er ist zweifellos ein Schweinehund, aber einer von der hochintelligenten Sorte. Ich würde jedem Menschen raten, mit diesem Mann vorsichtig umzugehen.«
    »Glaubst du, er würde im Notfall töten?« fragte Rodenstock.
    »Er selbst natürlich nicht. Er ist der Typ, der bei diesem Gedanken igittigitt sagt. Aber er ist jemand, der einen anderen mit den Worten losschicken kann: Töte ihn schnell! Und dann bezahlt er. Wahrscheinlich, weil er die Erfahrung gemacht hat, daß man alles kaufen kann.«
    »Hat er seine Frau auch gekauft?«
    Emma lächelte Dinah an. »Gute Frage, meine Liebe. Auf eine gewisse Weise hat er sie gekauft. Gleichzeitig ist er von ihr gekauft worden. Er war in seiner Jugend einer der begehrtesten Junggesellen Amsterdams, stammte aus einer stinkreichen Sippe äußerst habgieriger Kaufleute und hätte es eigentlich nicht nötig gehabt, einer geregelten Tätigkeit nachzugehen. Er studierte in Eton, es folgten Georgetown in Washington und die Sorbonne in Paris. Er machte so eine Art privates Studium Generale – von jedem ein bißchen, und von jedem nur das Interessanteste. Zum Beispiel ist er Experte für expressionistische europäische Malerei, außerdem Fachmann auf dem Gebiet alter Münzen aus dem Fernen Osten. Das sind so Kenntnisse, mit denen er unheimlich gekonnt angibt. Er wurde sogar schon zu Gerichtsverhandlungen als Sachverständiger gebeten.« Emma nagte mit makellosen Zähnen an der Unterlippe. » In Deutschland gibt es doch das Sprichwort, daß der Teufel immer auf den größten Haufen scheißt. Bei van Straaten ist das der Fall. Er war immer reich, er wurde immer reicher und ein Ende ist nicht abzusehen. Auf eine gewisse Weise macht ihn das immun, zum Beispiel hatten wir erhebliche Schwierigkeiten, in sein Leben hineinzuleuchten, weil zunächst keine dunkle Ecke sichtbar war. Sein Leben schien vollkommen gläsern verlaufen zu sein: Verwöhnter kleiner Bubi macht die Erde zu seinem Spielplatz und gelegentliche Arbeit zum Hobby. Es war frustrierend, wie ihr euch denken könnt. Was nahm der nun von zu Hause mit? Die Sippe war knietief im Im- und Exportgeschäft beschäftigt, von Malaiischen Bambus bis hin zu Krokodilhäuten, sie machten alles zu Geld. Er hatte einen Bruder, den sechs Jahre jüngeren Marcus, der den gesamten Laden einmal erben sollte. Jörn wurde ausbezahlt, als er 22 Jahre alt war.«
    »Wie hoch lag die Summe?« fragte Rodenstock knapp.
    »Bankerkreise in Amsterdam schätzen, daß das ungefähr bei 70 bis 90 Millionen Gulden gelegen haben muß. Und es war nur ein Drittel dessen, was ihm eigentlich zustand. Die beiden Brüder hatten sich geeinigt, nicht mehr aus dem Geschäft herauszunehmen. Die lieben sich übrigens heiß und innig, und nichts an dieser Liebe ist gespielt. Van Straaten machte alles mögliche, kümmerte sich vor allem um seinen Spaß im Leben. Und davon hatte er eine Menge. Wo immer sich die reichen Kinder trafen, war er dabei. Nizza, Cannes, St. Moritz, Paris, London, New York, Los Angeles, Moskau – ohne Jörn lief gar nichts. Wir konnten recherchieren, daß er mit 26 Jahren sieben jungen Frauen von beachtlicher Schönheit jeweils ein Apartment gemietet hatte. Er fand das phantastisch. Als er 27 war, heiratete er plötzlich von heute auf morgen, und die Welt der Schönen und Reichen stand Kopf, weil niemand vorher davon gewußt hatte. Er heiratete beileibe keine Schönheit, eher eine biedere niederländische Hausfrau mit zuviel Fettringen um den Bauch, ein gänzlich unauffälliges Wesen von geradezu

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