Eifel-Schnee
wir bei Mehren gefunden hatten, das Kokain bei Melanie, den Leutnant namens Westmann, der Mario und seinen Kumpels für eine Autoreparatur rund dreißig Gramm Haschisch geschenkt hatte, den verschwundenen Pajero von Ole. Wieso hatte Betty gesagt, Ole wolle so eine Art Selbstmord hinlegen? Was hatte Ole gemeint, als er dem Pfarrer Buch sagte, nur ein Mensch müsse sterben, dann sei alle Not vorbei? Den Mercedes C 230, der am Heiligen Abend vor der Scheune gestanden hatte. Wieso war es Betty, die mit dem Drogenverkauf angefangen hatte? Wo hatten Ole und Betty den Flug nach Kanada gebucht, und was kostete der? Rodenstock schrieb sehr flüssig und groß und stockte nicht eine Sekunde lang.
»Du bist echt klasse«, sagte ich bewundernd.
»Danke«, murmelte er. »Manchmal tut es gut, das zu hören.«
»Sag das Emma«, schlug ich vor. »Was machen wir jetzt?«
»Die losen Fäden bearbeiten. Wir müssen etwas tun. Also tun wir das Nächstliegende. Du wirst den Bauer Mehren besuchen. Und ich versuche, den Staatsanwalt Volkmann zu erreichen, um zu fragen, was der Dieter Kremers für ein Sauhund ist.« Er hatte leicht entzündete Augen ohne Glanz und wirkte erschöpft.
»Ich protestiere«, widersprach ich. »Wir müssen diesen Tag blau machen, wir müssen das einfach. Wir können nicht dauernd Vollgas geben.«
»Sieh mal an ...«, entgegnete Rodenstock vielsagend.
»Du kannst meinetwegen weitermachen«, fuhr ich fort, »ich merke, daß ich langsam müde werde. Das muß ich ausnutzen. Ich gehe wieder schlafen.«
»Eine gute Idee«, gähnte er.
Wir trotteten also die Treppe hinauf, nickten einander zu, und ich legte mich so geräuschlos wie möglich neben Dinah, die selig wie ein Kleinkind vor sich hinschmatzte. Vielleicht aß sie im Traum ein Erdbeereis oder sowas.
Irgendwann am Nachmittag wurde ich wach, Dinah schlief noch immer, und zum erstenmal seit vielen Tagen räkelte ich mich genüßlich und fand, daß ich noch ein, zwei, drei Stunden Schlaf verdient hätte. Daraus wurde aber nichts, denn Dinah wachte auf und erinnerte mich träge und zärtlich an gewisse Pflichten, denen ich dankbar nachkam, weil so etwas das Leben beflügelt. Bevor wir später wieder einschliefen, hörte ich kurz und eindringlich Rodenstock laut schnarchen. Zweifellos waren wir in diesen Augenblicken eine sehr bemerkenswerte private Mordermittlungsgruppe.
Es war noch fast Nacht, als ich vom Hof rollte, unrasiert und gut gelaunt. In Hillesheim hielt ich an der Telefonzelle am Busbahnhof an. Ich warf zwei Fünfmarkstücke ein und rief Emma an. Ich sagte etwas verlegen: »Es geht mich nichts an, aber haben Sie nicht Lust, mich zu besuchen?«
»Sind Sie ein Kuppler?«
»In diesem Fall ja, in diesem Fall macht es sogar Spaß. Rodenstock ist mein Freund.«
»Ich weiß«, erwiderte sie. »Und wenn er nicht will?«
»Das habe ich heute morgen von ihm auch gehört«, sagte ich und mußte lachen. »Ihr seid wie die Kinder. Er würde Sie jetzt brauchen ...«
»Ich bin für dich einfach Emma«, unterbrach sie.
»Na gut, Emma. Also schwing dich auf die Hufe und besuch den Nachbarn in Deutschland. Ich habe eben erlebt, wie gut dein Freund Rodenstock ist. Du solltest dir das angucken. Also, wenn dein Job es zuläßt ...«
»Ich habe noch vierzehn Tage Vakantjies«, überlegte sie.
»Mir ist egal, wie du das ausdrückst«, meinte ich. »Komm her und bring Vanillefla mit und etwas von dem holländischen Bumsbrot. Und vielleicht einen alten Gene ver.«
»Ach, du Gauner«, seufzte sie und hängte ein.
Ich war so guter Dinge, daß ich auf dem Busbahnhof einmal Vollgas gab und dann voll auf die Bremse trat. Bei der anschließenden Schlidderei hätte ich beinahe das Holzhaus umgelegt, in dem man schöne, fettige Bratwürste, halbe Hähnchen, Schaschlik und andere Genüsse kaufen konnte.
Im Stall von Mehren brannte Licht. Dort fand ich den Bauern, allein mit einer hochträchtigen Kuh. Als er mich sah, wunderte er sich nicht im geringsten, sondern erklärte: »Ich muß das Kalb wenden, sonst gehen mir beide ein.« Er zog den Pullover aus, bückte sich und nahm eine Riesentube mit Melkfett. Er schmierte sich den rechten Arm bis zur Schulter dick ein und bat dann: »Halt sie mal fest, das wird ein bißchen wehtun.«
Ich ging also zwischen die Tiere und faßte die Kette der Kuh. Sie hatte riesengroße, geduldige Augen, schnaufte heftig und stellte die Hinterläufe breit auseinander, als wolle sie Mehren entgegenkommen.
»Paß auf jetzt«, mahnte er.
Die
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