Eifel-Sturm
nun einiges über Wilma Bruns erzählen. Aber erst einmal wollten sie etwas zu trinken haben, bevor sie Auskunft geben würden. Jemand brachte ihnen zwei Flaschen Bier. Sie tranken genüsslich und berieten sich, wer den Vortrag halten sollte.
Der Belgier begann und wie alle Menchen aus dem Grenzgebiet sprach er ein leicht fehlerhaftes, aber fast akzentfreies Deutsch.
»Wir können der Kommission Folgendes mitteilen: Das Blut der Toten hatte einen Alkoholspiegel von 1,9 bis 2 Promille. Das bedeutet, die Frau war ziemlich betrunken. Nach Angaben von Zeugen war sie an den Konsum von Alkohol gewöhnt. Wir nehmen daher an, sie war betrunken, konnte aber durchaus noch gehen, lallte nicht, sondern war ihrer Natur gemäß – und dies beruht wiederum auf Schilderungen – eher angeregt heiter. Ob sie nun allein den schmalen Pfad um das Moorgebiet herumging oder in Begleitung war, können wir nicht entscheiden, wir nehmen aber an, dass die Spurenleute dazu etwas sagen werden. An dem Punkt, an dem der Wildhüter sie entdeckte, ist sie auch in das Moor gestiegen, indem sie sich unter dem Geländer hindurchbückte und dann einige Schritte tat. Wenn sie diese Schritte schnell getan hat, dann konnte sie durchaus den Punkt im Moor erreichen, an dem sie entdeckt wurde. Das war gegen acht Uhr am Morgen. Zu diesem Zeitpunkt war der Tod seit mindestens einer Stunde eingetreten. Wir weisen darauf hin, dass dies durch Wasseransammlung in ihren beiden Lungenflügeln beweisbar erscheint. Nun wissen Sie, dass aus der Masse des in der Lunge angesammelten Wassers darauf geschlossen werden kann, in welchem Zustand sich die Frau befand, als sie in das Wasser eintauchte. Und da haben wir einen äußerst interessanten Befund. Sie können sich vorstellen, dass ein erheblicher Unterschied zwischen einem nüchternen Menschen, einem betrunkenen Menschen und einem nahezu oder vollständig bewusstlosen Menschen besteht. Der nüchterne, wache Mensch nimmt mit den Atemzügen erheblich mehr Wasser auf als zum Beispiel ein Bewusstloser. Klaus, machst du an der Stelle mal weiter?«
Klaus war der Deutsche. Er sagte spöttisch: »Du drückst dich vor dem interessantesten Punkt, du Belgier. Na gut, dann heimse eben ich die Meriten, Orden und Ehrenzeichen ein. Wir fanden heraus, dass Wilma Bruns mit hoher Wahrscheinlichkeit ohnmächtig war, als sie in das Wasser geriet. Die Wassermenge in ihrer Lunge war erstaunlich gering. Das bedeutet automatisch, dass sie nicht aus eigenem Antrieb in das Moor hineingehen konnte. Sie konnte sich auch nicht selbst unter dem Geländer durch bücken, sie konnte im Grunde gar nichts mehr. Der Zustand ihrer Organe lässt nur den Schluss zu, dass sie durch fremden Einfluss in das Moor geraten ist. Jemand muss sie getragen oder gestoßen haben. Zumindest geriet sie ruckweise unter Wasser, das sagt der Lungenbefund. Nun gibt es natürlich ein Problem: Da ist eine ziemlich betrunken und spaziert am Rand eines Moores entlang. Auf keinen Fall wird sie getragen, denn sonst hätten die Spurenleute entsprechende Fußeindrücke finden müssen. Und plötzlich soll sie bewusstlos geworden sein. Nun, das passiert einer gesunden Frau auch bei dieser Alkoholkonzentration im Körper nicht so einfach. Und nach dem Zustand der Organe zu schließen, war sie sehr gesund. Wir stehen also vor einem Rätsel. Die Frau erreicht die Stelle, an der sie ins Moor gegangen sein soll, und ist plötzlich bewusstlos.« Klaus grinste faunisch und sagte: »Mach weiter, Rene, du bist der Bessere.«
Die Zuhörer lachten, es war fast wie Theater.
Der Belgier kniff die Lippen zusammen und wurde ernst. »Nach Lage der Dinge ist Mord nicht auszuschließen. Das führten wir uns vor Augen. Und wir fanden dann den Einstich einer Kanüle im Oberschenkel rechts. Wahrscheinlich eine Achter-Nadel. Wir machten bestimmte Untersuchungen des Mageninhalts und überprüften noch einmal das Blut. Und wir konnten schließlich eindeutig Diazepam nachweisen, ein stark beruhigender Wirkstoff. Jetzt wussten wir, warum die Frau plötzlich bewusstlos wurde. In Verbindung mit Alkohol kann die Einnahme eines Mittels, das Diazepam enthält, lebensgefährlich sein. Das bekannteste Mittel mit diesem Wirkstoff ist Valium. Ob der Frau tatsächlich Valium gespritzt wurde, ist so einfach nicht feststellbar und wird später im Laborversuch genau ermittelt. Mehr können wir hier im Wagen nicht tun. Unseren ausführlichen Bericht werden Sie in etwa drei bis vier Tagen auf dem Tisch haben. Nach
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