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Eifel-Sturm

Eifel-Sturm

Titel: Eifel-Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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unserer Überzeugung wurde sie getötet, also ermordet. Damit stehen wir vor der Frage: Wie gelangte sie in den Sumpf? Ihr Körper wurde vom festen Ufer aus etwa fünf Meter entfernt gefunden. Und jetzt kommt Charlie, unser Indianer, an die Reihe.«
    Es gab zwei oder drei Mitglieder der Kommission, die klatschten, die Leistung der beiden jungen Ärzte war hervorragend.
    Charlie, der Indianer, wie sie ihn nannten, war eine schmale, nörgelig wirkende Figur, nicht größer als einssechzig, ungefähr vierzig Jahre alt, mit dem faltigen Gesicht eines Magenkranken. Er bewegte sich nicht im Geringsten, als er zu sprechen begann, trat keinen Schritt vor, sah niemanden an, konzentrierte sich auf das, was er herausgefunden hatte, und machte alles in allem den Eindruck, als sei es ihm wurscht, ob ihm jemand glaubte oder nicht.
    »Ich musste mich also fragen, wie die Tote fünf Meter weit in das Moor hineingeraten konnte. Wenn sie es selbst bewerkstelligt hätte, wäre es leicht erklärbar gewesen. Man muss nur, wie schon erwähnt, die ersten zwei, drei Schritte sehr schnell machen und sich dann nach vorne werfen. Anders sieht die Sache aus, wenn ein Zweiter dafür zu sorgen hatte, dass sie so weit im Moor lag. Nun, wir haben gehört, dass die Frau vor ihrem Tod bewusstlos war. Wie kriegt man eine Bewusstlose so weit in das Moor? An dieser Stelle, an der das geschah, tritt die Moorkante, das heißt die flüssige Schicht, besonders nah an das Ufer heran. Ich habe das Geländer untersucht, die Stelle auch sofort gefunden. Meiner Meinung nach hat der Mörder sehr bewusst eine Spritze mitgenommen. Das setzt kaltblütige Planung voraus. Der Mörder muss dieses Moor und diese Stelle im Moor genau kennen. Er machte Folgendes: Er nahm einen stinknormalen Strick, wie ihn Landwirte benutzen, wenn sie Kühe anseilen. Den Strick legte er um den oberen Querholm des Geländers. Dann hob er Wilma Bruns so hoch wie möglich und stemmte sie mit Hilfe beider Arme so weit wie möglich Richtung Wasser. Er verließ sich darauf, dass der Strick hielt und er sich daran zurück auf das Land ziehen konnte. Ich habe die Stelle gefunden, wo er den Strick um den Holm gelegt und festgezurrt hat. Da ist eine Blankscheuerung des Holzes zu erkennen und selbstverständlich waren da Mikrofasern, die von einem Strick stammen.« Unvermittelt beendete er seine Rede und atmete ein paar Mal durch, als sei er es leid, seinen Kollegen Auskunft zu erteilen.
    »Dann war es ein kräftiger Mann?«, fragte Rodenstock.
    »Was heißt da kräftig?«, fragte der missgelaunte Indianer. »Wenn du es lange genug übst, kannst du es auch.«
    Er hatte die Lacher auf seiner Seite. Als Ruhe eingekehrt war, sagte Kischkewitz kühl: »Leute, machen wir uns nichts vor. Wir haben immer noch keine Ahnung, wer Jakob Driesch getötet hat. Und Wilma Bruns? Auch das wird uns noch beschäftigen, Freunde. Wir gehen jetzt ins Hotel und treffen uns nachher wieder zur üblichen Konferenz. Abmarsch!«

Sechstes Kapitel
    Wir fuhren gegen acht Uhr abends mit Emmas Wagen los, Emma, Vera, Rodenstock und ich.
    Hinter Höfen nahmen wir die schmale alte Landstraße nach Büllingen durch den endlosen Wald des belgischen Naturparks und folgten dann der Route Fagnes et Lacs nach Faymonville.
    Das Anwesen hockte wie ein Haufen schneeweißer Klötze auf einem Hügel hinter dem Westende des Ortes. Als wir näher kamen, war zu erkennen, dass alle diese Klötze durch Gänge aus Glas miteinander verbunden waren. Ganz ohne Zweifel war es ein eindrucksvolles architektonisches Ensemble und wirkte dabei nicht abweisend, eher wie ein sehr großer Landgasthof. Das gesamte Gelände umgab ein schwerer, drei Meter hoher Stahlzaun, auf dem alle zwanzig Meter eine Fernsehkamera installiert war.
    »Wir wollen keine Unruhe stiften«, murmelte Rodenstock. »Die Waffen lassen wir im Kofferraum. Und nicht vergessen, der Mann empfängt uns freiwillig. Also äußerste Höflichkeit, bitte. Es ist ein rein informatives Gespräch, was immer er auch sagt.«
    Das Tor glitt zu beiden Seiten weg und wir folgten der Asphaltbahn, die in einem weiten Bogen vor den Haupteingang führte. Es gab keine Bodyguards, es gab nur einen mittelgroßen Mann um die fünfzig, der aus dem Eingang trat und uns anlachte. Er trug ein weißes Hemd mit kurzem Arm und eine einfache graue Hose zu Sommerslippern.
    »Quint«, sagte Rodenstock.
    Wir stiegen aus, Rodenstock stellte uns der Reihe nach vor. Quint reichte jedem die Hand und musterte uns dabei

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