Eifel-Wasser
wir haben wirklich keinen neuen Fall. Ich glaube, ich mag den Fall nicht, ich glaube, ich gehe gar nicht erst ran.« Er grinste scheel und beendete das Gespräch.
»Du lügst«, sagte ich vorwurfsvoll. »Das sagst du bei jedem Fall.«
»Ja und?«, fragte er scheinheilig. »Bin ich nicht ein irrender Mensch?«
»Im Wesentlichen bist du zurzeit ein mogelnder Mensch. Was weißt du eigentlich von Franz-Josef Breidenbach?«
»Wenig. Lebensmittelchemiker, was immer das heißen mag. Beamter, also vermutlich bei irgendeinem öffentlichen Amt. Er prüfte Wasser. Alle möglichen Wasserarten, die hier in der Eifel gefördert werden oder sonstwie aus der Erde quellen. Verheiratet, wie wir wissen, die Frau kennen wir. Kinder vermutlich, aber das werden wir in Erfahrung bringen. Was wissen wir noch? Er war ein Naturfreak, jemand, der bei strömendem Regen in einem Steinbruch zelten ging, jemand, der sich in Pflanzen- und Tierwelt auskannte. Jemand, der entweder von einer Felslawine erschlagen worden ist oder aber von einem anderen Menschen. Und dieser andere Mensch hat anschließend eine Felslawine benutzt, den beinahe perfekten Mord zu begehen.« Er kicherte hoch in heller Heiterkeit. »Wir werden wahrscheinlich schon daran scheitern, dass dieser Breidenbach ein so seriöser, eifriger und vor allem sympathischer Beamter war, dass niemand ihm Böses wünschte und kein Motiv und kein möglicher Täter in Sicht kommt.«
»Sieh da, die Kavallerie!«, sagte ich erleichtert.
Der Kripomann namens Gregor Niemann fuhr eine schnelle Kawasaki. Die Geräusche der zwei Auspuffrohre knallten an den Felswänden wider, dass man Ohrensausen bekommen konnte. Er bockte die Maschine auf, nahm den Helm vom Kopf, legte ihn auf den Sattel und murmelte trotzig in die plötzliche Stille: »Ich habe nichts übersehen.«
Niemann war jung, keine dreißig, hatte ein scharf geschnittenes, mageres Gesicht und war vermutlich der Traum aller möglichen Schwiegermütter in seiner Umgebung.
»Natürlich hast du was übersehen«, polterte Rodenstock gnadenlos. »Wo lag er denn?«
»Ihr habt die Steine bewegt!«, stellte er vorwurfsvoll fest.
»Haben wir, mussten wir«, nickte Rodenstock. »Du hättest es auch tun müssen. Es konnte durchaus noch jemand unter der Lawine begraben sein. Baumeisters Hund hat das da gefunden!« Er zeigte auf das Loch zwischen den Brocken zu seinen Füßen. »Das ist ein menschlicher Finger. Kleiner Finger der rechten Hand. Wahrscheinlich von einem Mann. Dann haben wir entdeckt, dass das Zelt ursprünglich ganz woanders gestanden hat. Nämlich dort hinten, etwas versetzt, wo die Stöckchen stecken. An dem Platz hätte er durch keine Lawine getroffen werden können. Und da er ein Naturfreund war, der diesen Platz genau kannte, ist es logisch, dass Breidenbach sein Zelt nicht dort aufbaute, wo Gefahr drohte. Und dann ist da noch was. Sieh mal den Stein hier rechts von mir. Der zeigt Moos, Weißmoos. Er kann also nicht in der Wand gesessen haben, er muss oben an der Bruchkante losgetreten worden sein. Es ist zu vermuten, dass der Stein die Lawine auslöste. Du hast also den Finger, das Zelt und den Moosstein übersehen.«
Niemann war blass und fahrig, hatte nichts mehr zu seiner Verteidigung zu sagen. Er flüsterte: »Scheiße, Scheiße, Scheiße!«, und zog ein Päckchen Drum aus einer Tasche seiner Montur. Doch er war so zittrig, dass er es nicht schaffte, sich eine Zigarette zu drehen.
»Du bist auch ein Kripomann, nicht wahr? Kischkewitz sagte so was.«
»Ja«, nickte Rodenstock.
»Und der da?«
»Journalist«, antwortete Rodenstock ausgelassen.
»O nein«, murmelte Niemann erstickt.
»Ich schreibe nicht sofort darüber«, versuchte ich ihn zu beruhigen.
Eine Weile herrschte Schweigen.
»Wie war dein Tag? Ich meine, dein Freitag?«, fragte Rodenstock schließlich sanft.
Niemann antwortete nicht.
»Du hast noch etwas übersehen«, sagte ich. »Nämlich dass die Felsen, die von oben heruntergedonnert sind, das Zelttuch nicht in so kleine und große Fetzen reißen konnten. Löcher ja, Fetzen nein. Wer immer hier war, der hat das Zelt zerfetzt und die Reste dort auf dem Lawinenhaufen unter die Steine gesteckt. Meiner Meinung nach ist das der gewichtigste Fehler, den der Täter machte.«
»Kann man das Tuch zerreißen, wenn es Löcher hat? Ich meine, mit bloßen Händen?«, fragte Rodenstock.
»Das geht, aber du brauchst viel Kraft«, sagte ich.
»Man wird an den Reißkanten der Fetzen bei mikroskopischen Aufnahmen
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