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Eifel-Wasser

Eifel-Wasser

Titel: Eifel-Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Rodenstock.
    »Ja«, nickte Niemann. »Er trug seine Bergschuhe. Ein dickes rot-schwarz kariertes Hemd. Der Gürtel seiner Hose war geschlossen.«
    »Und es ist dir nicht in den Sinn gekommen, dass das Zelt ursprünglich an anderer Stelle gestanden hat?«, fragte ich.
    »Nein«, sagte er fest. »Ich fragte mich natürlich, wie jemand so unvernünftig sein konnte, unterhalb einer instabilen Wand zu zelten. Aber das konnte tausend Gründe haben. Unter anderem den, dass Breidenbach vielleicht an einem Problem zu kauen hatte und gar nicht darauf achtete, wo er das Zelt hinstellte. Er war in Gedanken und baute das Zelt da auf, wo er gerade stand. So etwas gibt es doch.«
    »Du hast also den Notarzt gerufen?«
    »Sicher. Ich brauchte doch einen Totenschein. Ich hatte keine Veranlassung, an Mord zu denken.«
    Ein paar Minuten lang war nur die Natur zu hören. Auf einer wilden Rose wippte ein Dompfaff auf und nieder.
    »Wir müssen vorsichtig vorgehen«, murmelte Rodenstock in die Stille. »Es ist natürlich trotz allem nicht auszuschließen, dass sein Tod ein Unfall war. Hast du was in Breidenbachs Leben gefunden, was dich nachdenklich macht?«
    »Eigentlich nicht.« Niemann grinste matt, registrierte unsere Konzentration und erklärte dann: »Sein Leben war typisch deutsch und typisch deutsche Provinz. Hoch angesehener Beamter, makelloser Leumund, der Mann ist nicht mal in einer Einbahnstraße rauchend in die falsche Richtung spaziert. Der ideale Familienvater, zwei Kinder: ein Sohn, zwanzig Jahre alt, Student. Eine Tochter, sechzehn Jahre alt, Oberschülerin. Beide nie aufgefallen. Eine Ehefrau, sechsundvierzig Jahre alt, Angestellte bei der Volksbank, einwandfreier Ruf. Katholische Familie, alten konservativen Strukturen verbunden, bestenfalls wählen die Kinder während der Unruhephasen einmal die Grünen oder gar die Sozialdemokraten. Aber mehr Abweichung ist nicht. Hausbesitzer, Haus längst abbezahlt, gute Finanzsituation, treue Steuerzahler, Mitglieder in vielen lokalen Vereinen, regelmäßige Kirchgänger. Eine Blautanne im Vorgarten, an der die Familie zu Weihnachten bis zum Dreikönigsfest die Lichterketten leuchten lässt, an der Tür ein selbst gebasteltes und selbst gebranntes Tonschild mit der Inschrift: Hier wohnen Franz-Josef, Maria, Heiner und Julia Breidenbach. Und daneben zwei Lämmchen und ein Ochs und eine Kuh, als sei das die Heilige Familie. Rodenstock, du weißt doch, wie so was ist.«
    »Wie kommen wir denn jetzt hier weiter?« Rodenstock kratzte sich an der Stirn und holte eine zweite Zigarre aus der Tasche, was ein Zeichen für höchste Nervosität war. Er sah auf: »Ach, da kommen die Pizzen.«
    »Wir müssen den Tatort festhalten. Skizzen machen, die Lage von Steinen rekonstruieren. Ich muss da oben hoch auf den Bergrücken. Ich muss tausend Dinge tun. Und ich brauche die Spurenleute. Sind die Frauen Verwandte von euch?« Niemann wurde hektisch.
    »Könnte man bejahen«, sagte ich.
    Emma brachte den Volvo neben uns zum Stehen und fragte: »Tun es auch lauwarme Nudeln mit Hackfleischsoße?«
    »Natürlich«, nickte Rodenstock. »Während wir essen, berichte ich euch, was vorgefallen ist.«
    »Ich steige dann jetzt hoch auf die Felsnase«, kündigte Niemann lahm an.
    »Kommt nicht infrage«, widersprach ich. »Wir teilen die Portionen durch fünf. Erst wird gegessen.«
    Emma stand breitbeinig neben ihrem Auto und musterte die Steilwand. Forsch und burschikos meinte sie: »Wenn das hier ein Tatort ist, dann kann ich mein Bauernhaus ja abschreiben.«
    »Brauchst du nicht«, sagte Rodenstock eilig. »Das macht die Mordkommission. Und noch ist überhaupt nicht bewiesen, dass ich Recht habe.«
    »Aber du willst Recht haben«, griff Vera an. »Du wirst wahrscheinlich Recht bekommen und wir Frauen hängen allein mit dem Haus rum.«
    »Niemals!«, versicherte Rodenstock.
    »Du sollst nicht lügen!«, mahnte Emma. Sie lief hin und her. »Was glaubt ihr? Hat jemand die Steine auf Breidenbach purzeln lassen? Oder ihm mit einem Stein den Schädel eingeschlagen? Und wem, bitte, gehört der Finger, den ich da sehe?« In dieser Stimmung war Emma gefährlich. Sie wandte sich an Vera und wechselte abrupt das Thema. »Da fällt mir übrigens was ein. Wir müssen im Wohnbereich doch blau karierten Bauernstoff nehmen, denn rot kariert passt absolut nicht zu meinem englischen Sekretär von 1780.« Sie warf Rodenstock einen unglaublich impertinenten Blick zu und hauchte böse: »Habe ich dir schon mal erzählt, mein

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