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Eifel-Wasser

Eifel-Wasser

Titel: Eifel-Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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das. Und ich wollte ja auch nicht irgendeine, ich wollte ja eine mit was an den Füßen.«
    »Ja«, murmelte ich – was hätte ich darauf erwidern sollen. »Gab es denn außer Heiner einen Freund, mit dem er alles beredet hat?«
    In einem resoluten Ton, als stelle sie eine mathematische Formel fest, antwortete Holgers Mutter: »Mit uns. Mit uns hat er alles beredet. Mit sonst gar keinem. Und mit Heiner war das doch nie dicke. Die Breidenbachs halten sich sowieso für was Besseres. Wir haben ja nun alles für ihn getan. Jedes Wochenende habe ich ihm die ganze Wäsche gemacht und die ganzen Oberhemden, picobello. Nun sag du doch auch mal was, Franz.«
    »Ja, das stimmt«, der Mann gab sich einen Ruck. »Er hat alles mit uns beredet. Wir wussten alles von ihm. Wir hatten ein Bombenverhältnis.«
    Rodenstock räusperte sich. »Das ist gut, dass er Ihnen alles erzählte. Ist er bedroht worden?«
    »Dass ich nicht lache!«, keifte die Frau, bewegte sich aber nicht. »So ein starker großer Bengel? Wer sollte den bedrohen?«
    »Abi hat ihm doch mal die Knochen gebrochen, oder nicht?«, warf ich ein.
    »Ja, schon«, nickte die Frau. »Aber das war ein Versehen. Ich meine, der Abi war ja hier bei uns und hat sich entschuldigt. Und hat auch Geld hier gelassen, damit wir nicht so einen großen Ausfall hatten.«
    »Einen Ausfall?«, fragte Rodenstock, Spott unterdrückend.
    »Na ja, für unsere ... für unsere Auslagen wegen der Brüche und so. Schließlich hatten wir viel am Hals. Mussten neue Schlafanzüge her fürs Krankenhaus. Und dann: Jeden Tag bin ich ins Krankenhaus. Ich bin ja mit den Beinen schlecht dran. Ich konnte mir ein Taxi nehmen.«
    »Wie viel Geld war es denn?«, erkundigte sich Rodenstock liebenswürdig.
    »Ein Tausender«, sagte sie. »Nur ein Tausender.«
    Der Mann am Tisch atmete scharf ein: »Mir hast du was von fünfhundert erzählt.«
    »Ist doch egal«, keifte die Frau.
    »Also, Sie können sich nicht vorstellen, wer Holger an der Wand zerquetscht hat?« Rodenstock malte die Worte. Das wirkte wie eine scharfe Bestrafung.
    »Was sagen Sie denn da! Das hat ja noch keiner behauptet.« Der Ton der Frau wurde schriller. »Das war ganz klar ein Unfall. Haben die Polizeibeamten jedenfalls gesagt. Mit Absicht? Meinen Holger? Niemals!«
    Nach einigen Sekunden Pause murmelte Rodenstock: »Wir danken Ihnen sehr. Lassen Sie nur, wir finden schon selbst hinaus.«
    Wir gingen nicht, wir rannten fast aus dem dunklen Loch.
    Als wir im Wagen saßen, stellte Rodenstock fest: »Völlig klar: Für Holger Schwed war die Familie Breidenbach der Himmel. Weil er zu Hause die Hölle hatte. Was treiben wir jetzt?«
    »Wir fahren nach Thalbach. Ich bin ganz wild auf Lamm.«
    Sicherheitshalber riefen wir bei der Firma Fenestra an und fragten, ob der Chef überhaupt Zeit für uns hätte. Die Sekretärin erkundigte sich nicht einmal, was wir wollten, sie antwortete lapidar: »Der ist da. Wenn Sie also vorbeikommen wollen ...«
    Ich kurvte langsam durch Thalbach, suchte eine bestimmte Stelle in dem uralten Vulkankrater. Als ich sie gefunden hatte, stieg ich aus, um zu fotografieren.
    »Da oben ist die Fenestra. Wenn du genau hinschaust, siehst du darunter den Einschnitt und ein kleines, altes, flaches Häuschen mit Holunderbüschen. Auf halber Höhe. Das ist die alte Trinkwasserversorgung von Thalbach. Man kann gut sehen, wie das funktionieren muss. Wenn die Arbeiter bei der Fenestra oben irgendetwas ausschütten, Vinyl etwa, dann sickert das Zeug direkt in die schmale Zone, aus der die Gemeinde ihr Trinkwasser zieht.«
    Der kleine Fabrikkomplex des Fensterherstellers thronte wie einstmals das Schloss eines Adligen über dem alten Vulkankessel, in dem die Gemeinde sich ausgebreitet hatte. Das Verwaltungsgebäude war ein rechteckiger, ocker getönter Klotz, durchaus nicht protzig, eher zurückhaltend. Davor befand sich ein großzügig angelegter Platz mit viel Grün, richtig sympathisch. Und damit auch wirklich alles stimmte, waren die Rasenflächen mit einfachen, weiß gestrichenen Basaltbrocken aus irgendeinem Steinbruch gesäumt.
    Elektrokarren transportierten Fensterrahmen, Trucks wurden beladen, Männer gingen in Arbeitstrupps auf dem Platz herum, um den die Fertigungshallen gebaut waren. Es herrschte ein bienenemsiger Betrieb.
    Wie in den letzten Jahren Mode geworden, gab es eine Reihe hoher Fahnenmasten, an denen die Fahnen der Bundesrepublik, Frankreichs, Englands und Spaniens wehten, wahrscheinlich die Länder, in die Lamm

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