Eifel-Wasser
Tröpfchen, seine rechte Hand grub sich angestrengt in die Sessellehne. Er schien nicht zu atmen, wollte wohl was sagen, vielleicht auch schreien, atmete plötzlich rasselnd aus. Endlich stöhnte er: »Diese Scheißbeziehungskisten! Sind denn alle verrückt? ... Tut mir Leid, das schmeißt mich irgendwie.«
Emma mischte sich ein, beugte sich weit vor und sah ihn an. »Sie leiden, junger Mann. Und ich würde vorschlagen, hier abzubrechen. Sie sollten hier bleiben, Sie sind sehr erschöpft, haben in den vergangenen Tagen viel zu viel schlucken müssen. Es ist zu riskant, Sie jetzt allein nach Hause fahren zu lassen. Wir bauen Ihnen ein Bett unterm Dach juchhe und Sie ruhen sich erst einmal aus. Bitte entschuldigen Sie die quälenden Fragen, die wir stellen mussten.«
Er dachte einen Moment mit schlohweißem Gesicht nach, nickte dann mühsam und sagte: »Ich muss meiner Mutter Bescheid sagen. Sie kann sowieso kaum schlafen.« Er zog ein Handy aus der Tasche.
»Gehen Sie in die Küche, da sind Sie ungestört«, schlug Emma mitfühlend vor.
Als er draußen war, wandte sie sich uns zu: »Ich weiß nicht, was davon zu halten ist, aber dieser Lamm ist ohne Zweifel gefährlich. Und er könnte trotz allem im Steinbruch gewesen sein, oder?«
Rodenstock nickte. »Lieber Himmel, ich muss der Mordkommission Bescheid geben. Die brauchen dieses Gutachten und sie müssen sich Lamm vornehmen. Und Heiner Breidenbach muss morgen früh noch einmal ran.«
»Ich denke, das ist ihm klar«, sagte Emma lächelnd. »Was ist, Leute, gehen wir auch schlafen?«
Das machten wir. Heiner Breidenbach bekam ein Bett auf der Couch auf dem Dachboden, und Cisco freute sich tierisch, einen Gefährten für die Nacht zu bekommen. Die Katzen schlenderten ins Wohnzimmer und sahen sich nach einer Schlafmöglichkeit um. Sie würden noch zwei Stunden dösen und dann auf die Jagd gehen – keine Gnade für Mickey Mouse.
Rodenstock hockte in der Küche und telefonierte mit dem Nachtdienst der Mordkommission, Emma seufzte: »Wen habe ich da bloß geheiratet? Ich muss verrückt gewesen sein.« Dabei sah sie sehr glücklich aus.
»Schlaf gut«, wünschte Vera, als wir im Bett lagen. »Darf ich den Antrag stellen, dicht an dich heranzurobben?«
»Das würde mir gut tun.«
Gegen neun Uhr wachte ich auf und fühlte mich so, als hätte ich nur fünf Minuten geschlafen. Vera war bereits verschwunden. Ich schlurfte wie ein alter Mann ins Bad, nahm Gelächter in der Küche wahr und starrte missmutig auf das Gesicht vor mir im Spiegel. Was ich sah, war nicht dazu angetan, mein Vertrauen in die Menschheit zu festigen. Es machte keinen Sinn, mich zu rasieren, weil ich wusste, ich würde mich schneiden. Und weil es sowieso nach wie vor Mode war, unrasiert durch den Tag zu laufen, schloss ich mich dieser Mode an. Die Küche vermied ich zunächst, die Menschen darin klangen so verdächtig fröhlich. Ich ging in das Wohnzimmer.
Heiner Breidenbach saß dort auf dem Sofa und starrte durch die Glastür auf die Terrasse. Er schien vollkommen in sich versunken und drehte nicht einmal den Kopf.
»Schon gefrühstückt? Haben Sie gut geschlafen?«
»Cisco hat mich irgendwie beruhigt. Trotzdem konnte ich nicht schlafen, habe nur gedöst. In den letzten Tagen ist es vorgekommen, dass ich tagsüber einschlafe. Wenn die Nacht kommt, ist es aus. Dann renne ich rum und grüble.«
»Was beschäftigt Sie denn am meisten?«
»Wie das weitergehen wird, mit meiner Mutter, mit meiner Schwester, mit mir. Meine Mutter hat gesagt, sie würde am liebsten die Eifel verlassen. Irgendwie sei ja nun alles aus.«
»Haben Sie eine Idee, wer die Geliebte sein könnte?«
»Ich habe darüber nachgedacht. Aber ich habe keine Ahnung. Als Sie das heute Nacht sagten, war ich geschockt. Ist das eigentlich normal, dass man so wenig über seinen Vater weiß?«
»Ja, ich glaube schon. Gibt es denn Frauen im Umfeld Ihres Vater, die gern Mountainbike fahren und gern in der Natur herumstreunen?«
»Na ja, da fallen mir sechs oder sieben ein. Aber als Geliebte kann ich mir die unmöglich vorstellen.«
Ich lachte. »Das ist normal. Ein Zwanzigjähriger kann seinen Vater selten als herumstreunenden Hund begreifen. Wollen wir ein Stück Brot essen?«
Falls je ein Frühstück den Namen Arbeitsessen verdiente, dann dieses.
Rodenstock eröffnete munter: »Ihre Schwester hatte uns freundlicherweise schon einiges von dieser Leukämiegeschichte erzählt. Wie tief steckten Sie und Holger Schwed in dieser
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