Eifel-Wasser
aber das allein ist kein Motiv.« Rodenstock räusperte sich. »Motive können im Hintergrund der Geschichten versteckt liegen. Zum Beispiel im Hintergrund der Leukämiefälle oder der zu tiefen Bohrungen des Herrn Still ...«
»Das ist überhaupt nichts!«, rief Lamm beinahe empört. »Still hat gebohrt. Na, und? Dabei ist der Bohrer zu tief gefahren. Das ist nichts!«
»Es ist nett, dass Sie Ihren Freund verteidigen«, warf ich ein. »Aber eine zu tiefe Bohrung kann für konkurrierende Unternehmen eine echte Katastrophe sein. Still ist auf ein ungeheuer reiches Wasservorkommen gestoßen und kann doppelt so viel fördern, wie von der zuständigen Behörde erlaubt. Er kann mit Dumpingpreisen auf den Markt gehen. Es sieht so aus, als sei die Bohrfirma ausschließlich zu dem Zweck gegründet worden, nur diese Bohrung zu machen. Der Bohrmeister ist nun verschwunden. Bitte, Herr Lamm, halten Sie uns nicht für dumm.«
Den Hauch einer Sekunde lang glitt ein Grinsen über sein Gesicht, aber er ging nicht auf meine Bemerkung ein.
Rodenstock fuhr fort: »Eine Geschichte im Hintergrund könnte folgende sein: Das junge Ehepaar mit den beiden an Leukämie gestorbenen Kindern geht aus der Gegend hier fort. Nehmen wir an, der Vater kommt auf die Idee, sich zu rächen, diese Kinder zu rächen, die nie die Chance bekommen haben, ihr Leben zu leben. Er hält Breidenbach für ein Schwein, weil der das Gutachten nicht bekannt machte und somit den Mantel des Schweigens über die Affäre hielt. Das ist ein durchaus vorstellbares Motiv für einen Mord. In diese Motivierung passt jedoch Holger Schwed nicht hinein, es sei denn, er hat von Breidenbach etwas erfahren oder ist zu etwas verleitet worden, was ihm den Rang eines Mittäters einräumt. Dann aber müssten wir überlegen, warum ausgerechnet Franz Lamm noch lebt ... Sagen Sie mal, sind Sie eigentlich Jäger?«
»Bin ich«, antwortete er verwirrt.
»Dann besitzen Sie doch bestimmt eine Handfeuerwaffe.« Ich ahnte, was Rodenstock wollte.
»So was habe ich«, nickte Lamm.
»Ich will Ihnen keine Angst machen, aber Sie sollten die Waffe besser bei sich tragen. Man kann nie wissen, nicht wahr. Es kann wirklich sein, dass da draußen ein Irrer herumläuft.«
»Du lieber Gott«, murmelte der Herr der Türen und Fenster. Er war sichtlich beeindruckt.
Rodenstock lächelte vor sich hin, ohne jemanden anzublicken. »Tja, Sie sehen, auf welche Gedanken man kommt, wenn man sich mit möglichen Motiven beschäftigt. Nun ist es wohl wirklich Zeit für uns zu gehen.«
Er stand zum zweiten Mal auf, aber ich wusste genau, dass er noch etwas in petto hatte. Er beugte sich ein wenig vor und schien zu überlegen. »Wussten Sie eigentlich, dass Franz-Josef Breidenbach eine Geliebte hatte?«
Die Frage traf Lamm. Er starrte vor sich hin auf die Schreibtischplatte. Dann schüttelte er den Kopf: »Keine Ahnung. Wirklich nicht. Um private Sachen kümmere ich mich nicht.«
»Hätte ja sein können«, murmelte Rodenstock freundlich.
Diesmal gingen wir tatsächlich und die junge Frau mit den blonden Strähnchen im Haar in seinem Vorzimmer war unfähig, uns anzusehen, als wir ihr im Vorbeigehen freundlich zulächelten. Mit Sicherheit hatte sie jeden Satz unserer Unterhaltung mitgehört, möglicherweise sogar auf einem Tonträger mitgeschnitten. Sollte sie. Rodenstock senkte überall die Furcht Gottes in die Herzen. Mit Sicherheit war das eine gute Möglichkeit, die Dinge zu beschleunigen.
»Was ist, sollen wir nach Hause fahren?«, fragte ich, als wir wieder auf der Straße entlangrollten. »Oder willst du direkt zu dem Sprudel?«
»Nicht heute«, wehrte er ab. »Ich muss erst einmal verdauen, was wir gehört haben. Wie schätzt du das ein?«
»Dieser tote Breidenbach bleibt so neblig. War er nun gegen Lamm und somit für Aufklärung der Leukämiefälle? Oder nicht? Hat er Holger Schwed was erzählt, das den Jungen gefährdete, oder nicht? Wann willst du zum Sprudel?«
»Vielleicht morgen. Das scheint mir nicht so dringlich, die laufen uns nicht weg. Erst einmal will ich neben Emma liegen und mich zu Hause fühlen.«
»Ganz neue friedvolle Töne«, murmelte ich.
»Nein, nicht neu. Ich rede nur nicht oft darüber. Was hältst du von Franz Lamm?«
»Er ist ein Typ, der provinziell ist und gleichzeitig weltmännisch sein will. Ganz ohne Zweifel hat er Macht und nutzt sie aus. Und in einem Punkt hat er deutlich gelogen. Nämlich darin, dass er behauptet, er habe die Familie im Westerwald nicht
Weitere Kostenlose Bücher