Eifel-Wasser
wahrscheinlich ist es, dass Breidenbach Geld genommen hat? Und wenn, wofür genau, was war seine Gegenleistung? Schweigen, das Gutachten und Nichtstun. Und das hat mit seinem Arbeitsalltag zu tun. Seine Frau und seine Kinder wissen von diesem Alltag auch nicht das Geringste. Wir haben hören müssen, dass die Breidenbach'sche Ehe eine langweilige Routineangelegenheit war. Gleichzeitig wissen wir von seiner Sekretärin, dass Breidenbach aus dem Dienst scheiden wollte. Im Herbst dieses Jahres. Er freute sich darauf, die Aussage ist eindeutig. Was wollte er anschließend machen, mein kluger Baumeister, wie wollte er weiterleben? Vorruhestand in Daun? Niemals!«
»Du hast Recht«, gab ich zu. »Wahrscheinlich ist die Familie über vieles überhaupt nicht informiert. Ich muss von einer anderen Seite kommen. Aber von welcher?«
»Von der Seite des Geldes«, grinste Rodenstock. »Von der Seite ist es immer am einfachsten. Du behauptest, du hast in seinen Unterlagen Notizen gefunden, Notizen, die belegen, dass er Geld bekommen hat. Du selbst bist pleite, siehst keine Zukunft in der Eifel und willst verschwinden. Die Notizen kosten soundso viel. Wir lancieren das, indem wir einen V-Mann der Kripo an Schwanitz kleben. Und wir präparieren den Steinbruch – das scheint mir ein geeigneter Treffpunkt –, du machst ein trauriges Gesicht und schiebst die Nummer durch.«
»Okay, schick mir Schwanitz in den Steinbruch. Oben auf die Felsnase. Genau gegenüber befindet sich eine deutlich niedrigere Steinbarriere, quer liegender Basalt. Da kannst du jemanden hinstellen, der alles aufnimmt.«
»Gut, ich besorge dann jetzt die Technik.«
»Und ich brauche nun zwei, drei Stunden Ruhe. Ich fahre zur Alten Mühle nach Plein, hocke mich an die Lieser und lasse den lieben Gott einen guten Mann sein. Vielleicht kommt Vera ja mit.«
Rodenstock grinste endlich wieder. »Dann wünsche ich der Familie einen geruhsamen Nachmittag. Aber noch was, Baumeister: Stell dir den Spaß nicht einfach vor. Wenn du übertreibst, werden sie dich vor unseren Augen zum Krüppel machen.«
»Schon gut, Papa, schon gut.«
Eine Viertelstunde später brachen wir auf und Vera sang lauthals neben mir: »Männer sind Schweine ...«
Ich wählte die Strecke Daun-Manderscheid-Großlittgen, eine der schönsten Strecken der Eifel, ein Eintauchen in endlose Wälder. Vera summte und hielt die Augen geschlossen, ihr Gesicht war ganz gelöst. Zuweilen legte sie mir die Hand auf den Oberschenkel. Die ganze Welt roch nach Sommer.
Plötzlich sagte sie mit leichtem Zorn: »Glaubst du nicht, dass dein Versuch, diese Leute der Bestechung zu überführen, unnötig ist? Klar, es ist wichtig und ideal, einen solchen Vorgang aufgezeichnet zu haben, aber lohnt sich das Risiko?«
»Es lohnt sich«, behauptete ich. Natürlich war ich mir nicht sicher.
Als wir hinter Plein die lange, steile Kehre herunterrollten, um in das Tal der Lieser einzubiegen, murmelte sie: »Es ist sehr gut, dass ich dich habe.«
Vera war begeistert von der Talenge, in der die Mühle liegt. Steilhänge mit dichtem Wald, eine hochstehende Sonne, die auf den schnell eilenden Wassern tanzte, in schattigen Löchern stehende Regenbogenforellen, eine blonde Wirtin, die lächelnd fragte: »Süßes oder Derbes?«
In solchen Momenten kann man wirklich glauben, unsere Welt sei heil und in Ordnung.
Wir aßen zusammen von einem Teller, wir bedienten einander. Dann bezahlten wir und wollten am Fluss entlanggehen.
»Nicht links, nicht über die Brücke«, sagte ich.
»Aber hier geht es nicht weiter«, sagte sie.
»Geh nur«, sagte ich. »Es geht weiter.«
Vera erreichte die letzte Felsnase und blickte in ein Wasserloch. Geradeaus tanzte das Sonnenlicht.
»Du willst mich verscheißern«, murmelte sie unsicher.
»Nicht die Spur«, sagte ich und sprang in das Wasser. Es war kühl, es war ein gutes Gefühl. »Siehst du da die kleine Insel?«
»Da stehen gelbe Blumen«, nickte sie.
»Schwertlilien«, sagte ich. »Komm schon. Das trocknet alles wieder.«
Da sprang sie mir nach.
Die Insel war winzig, vielleicht fünfzehn Schritt in der Länge, nicht mehr als sechs breit. Auf ihr stand eine Erle, die einen irisierenden Schatten warf. Daneben lag ein alter gestürzter Baum, eine Krüppeleiche, vollkommen mit Moos überzogen, das so grün leuchtete, dass es kaum zu ertragen war. Und steil und sehr trotzig ragte ein Basaltstück mannshoch, mit lohegelben Schwefelalgen besetzt und warf einen scharfen Schatten auf das
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