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Eifel-Wasser

Eifel-Wasser

Titel: Eifel-Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Wasser. Es war eine kleine, romantische, perfekte Welt, aufgebaut für uns, für uns ganz allein, und ich dachte: Wenn ich jetzt die Augen schließe und wieder öffne, dann ist das alles weg.
    Eine schnelle, huschende Bewegung auf dem Basaltstein – eine Eidechse schoss durch das Sonnenlicht, verharrte den Bruchteil einer Sekunde, hob das Köpfchen und war wieder verschwunden. Können Eidechsen schwimmen?
    Ich zog meine Jeans aus und legte sie auf den Stein.
    »Was ist, wenn da drüben jemand entlanggeht?«, fragte Vera unsicher.
    »Das ist mir scheißegal«, gab ich zur Antwort. »Und ich hoffe, es ist ihm auch scheißegal.«
    »Ich habe auch einen quatschnassen Hintern«, murmelte sie. »Das ist angenehm, wenn man im Wasser ist, aber hier in der Sonne geht einem auf diese Weise alles verloren.«
    »Zieh die Hose aus, bevor es so weit kommt«, sagte ich. »Das ist unser Planet, wenigstens für ein oder zwei Stunden. Sieh mal, die Insekten. Wie sie in der Sonne tanzen.«
    »Wirst du mir nun endlich etwas von dir erzählen?«
    Ich erinnerte mich, dass Rodenstock mal festgestellt hatte, wir seien gute Freunde, fast so etwas wie Vater und Sohn. Aber dass ich erstaunlich schweigsam sei und er eigentlich wenig von mir wisse.
    »Sofort«, antwortete ich und war Vera dankbar für ihre Frage. »Ich habe eine Zeit lang so viel Schnaps gesoffen, dass ich in Tokio oder Hongkong oder Adelaide war und nicht mehr wusste, mit wem ich da gesprochen hatte und aus welchem Grund. Ich habe neulich alte Reisepässe gefunden, in die die Kolumbianer mir einen Einreisestempel hineingedrückt haben. Ich weiß, ich suchte in den Armensiedlungen am Rande von Bogota nach jungen Müttern, die ihre frisch geborenen Babys in die Mülltonnen warfen. Das alles weiß ich noch, aber ich weiß nicht mehr, ob diese Reportage jemals irgendwo gedruckt wurde. Ich hatte Angst vor dem Leben, ich hatte sogar Angst vor einer roten Ampel.«
    »Was soll denn das jetzt an diesem schönen Fluss?« Sie war verwirrt.
    »Wir recherchieren eine Mordsache, an der uns vieles wie das totale Chaos vorkommt. Ich habe Verständnis für Chaos, ich komme aus dem Chaos.« Ich wusste nicht, ob sie das begreifen würde, doch Vera verstand, was ich sagen wollte.
    »Ach so. Aber du bist doch gar kein ängstlicher Typ.« In ihrer Stimme war immer noch Erstaunen.
    »Glaub mir einfach«, sagte ich. »Nimm es so, wie ich es sage.«
    »Das mache ich«, murmelte sie nach einer Weile.
    Wir blieben zwei Stunden auf diesem Eiland unserer Glückseligkeit. Dann wurden die Schatten länger, die Sonne verkroch sich hinter den Baumwipfeln, das Leben auf der anderen Seite unserer Träume kehrte zurück und wir nahmen es an.
    Kurz vor Manderscheid erwischte uns Rodenstock mit dem Handy. »Da ist doch dieser Jeansknopf am Tatort gefunden worden. Armani-Jeans, erinnerst du dich? – Gut, wahrscheinlich gehört er Abi Schwanitz, denn der trägt nur Armani und ist auch noch stolz darauf.«
    »Also war er am Tatort«, stellte ich fest.
    »So sieht es aus«, sagte Rodenstock. »Somit war er selbst derjenige mit dem Richtmikrofon. Wahrscheinlich wollte der Sprudelmensch wissen, was Breidenbach tun würde. Oder ob er sein Wissen mit jemandem teilte. Das Richtmikrofon haben wir organisiert, eine Kamera auch. Wann kommt ihr zurück?«
    »Jetzt. Wir sind auf dem Weg.«
    »Na dann, bis gleich. Ach so, da ist noch etwas. Kischkewitz und die Mordkommission haben herausgefunden, dass Abi Schwanitz ein sehr reges Sexualleben hat. Er hat eine Schwäche für die Damen in den Wohnmobilen an den Autobahnauffahrten. Die mögen den Typen aber gar nicht, weil er manchmal zuschlägt, wenn sie nicht tun, was er will. Du weißt schon, Rosi eins bis Rosi vier.«
    »Das ist aber mal eine schöne Geschichte.« Ich musste lachen und kappte die Verbindung.
    »Kann ich, Erhabener, an deiner Heiterkeit teilhaben?«, fragte Vera.
    »Sicher«, grinste ich. »An den Autobahnauffahrten auf die A 1 und die A 48 gibt es ein paar Dienerinnen der Liebe. Die haben da kleine Wohnmobile auf Parkplätzen oder in der Mündung von Waldwegen stehen und bedienen ermüdete Transporteure oder gestresste Reisende in Herrenunterbekleidung. In der höchst sittsamen Eifel bedeuten diese ausgesprochen lustigen Typen ständiges Bauchweh für einige hohe Verwaltungsbeamte. Vor allem die vereinigte Meute zum Schutz von Anstand und Moral, also Pfarrer, christliche Abgeordnete, ein paar Oberstudienräte und sauertöpfische Jungfern haben immer schon

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