Eifel-Wasser
hatte das Ausmaß und die Auswirkungen der grausamen Affäre bloßgelegt, die unglaublich brutale Stimmung bei denen, die etwas zu verbergen hatten. Aber einen Weg zu dem Täter hatten wir dabei immer noch nicht entdeckt.
Mich beschäftigte am meisten die Frage, was Lamm und der Sprudelhersteller jetzt tun würden. Ob sie überhaupt etwas tun würden. Würden sie weiter schweigen, sich einigeln oder würden sie sich offensiv gegen die neuen Vorwürfe wehren?
Ich wurde gegen neun Uhr wach, weil Vera mich heftig rüttelte. Sie sagte: »Hier ist jemand für dich«, und hielt mir das Handy hin.
Es war Hermann Kreuter junior von der Vulkanquelle in Dreis. Munter sagte er: »Herr Baumeister, Sie wollten doch immer mal sehen, wie es unter der Erde aussieht, auf der wir wandeln. Wir haben eine Kamera runtergeschickt.«
»Wann kann ich kommen?«
»Na ja, wie wäre es mit jetzt sofort?«
»Viertelstunde. Ich bin da.«
Ich verzichtete darauf, mich zu rasieren, sondern fragte in die Runde, wen das auch interessierte, und natürlich wollten mich alle begleiten.
So fuhren wir zu viert zum nahe gelegenen Sprudel und erfuhren zu unserer Verblüffung in der Einleitung, dass ausgerechnet die Eifel ein grundwasserarmes Gebiet ist, dass nur in den Kalkmulden von Prüm, Gerolstein und Hillesheim, in den roten Sandsteinen des Kylltales und an der Lieser Grundwasser in genügender Menge zu finden ist.
»Wir haben eine fünfhunderter Bohrung filmen lassen«, berichtete der Wasserspezialist. »Gemeint sind Rohre mit fünfzig Zentimeter Durchmesser. Diese Bohrung ist alt, wir haben sie grundlegend erneuern müssen. Sie können hier von der Oberfläche senkrecht in die Erde gucken.«
Das Bild war verwirrend, es war so, als blicke man von oben in einen Topf kochendes Wasser.
»Das ist die Kohlensäure, die aus Spalten und Verwerfungen in das Wasser einströmt. Noch ist die Kamera nicht im Wasser, sondern befindet sich in dem Rohr oberhalb des Wasserspiegels. Sie sehen also an den Wänden das Rohr, das wird sich gleich ändern. Jetzt taucht die Kamera ein, dreht sich und Sie sehen glatte Flächen. Das ist Fels. Nun bewegen wir uns auf Stellen zu, die deutlich lockeres Material zeigen, sehr oft rot gefärbt von eisenhaltigen Stoffen. Das sind die Schichten, in denen sich Wasser aufhält und fließt. Da können Sie erkennen, wie Kohlensäure von der Seite eintritt.«
»Es gibt keine unterirdischen Seen oder großen Kammern voller Wasser?«, fragte ich.
»Nein, nicht hier in der Eifel. Sie müssen sich das so vorstellen, dass Wasser in den feinsandigen Poren festgehalten und angesaugt wird. Das Prinzip ist ähnlich dem eines Schwamms, der sich vollsaugt und dann das Wasser langsam wieder abgibt.«
»Was würde passieren, wenn Sie tiefer bohren?«, fragte Rodenstock.
»Es würde sich nicht viel ändern«, erklärte Kreuter. »Wir würden durch nahezu wasserundurchlässige Felsschichten bohren und dann wieder auf Verwerfungen stoßen, also auf Bruchgebiete, die Wasser führen.«
»Warum bohren Sie nicht tiefer?«, fragte Emma. »Vielleicht stoßen Sie ja auf ein Heilwasser besonderer Qualität.«
»Das hat etwas mit Selbstbeschränkung zu tun«, erwiderte er. »Wir nehmen im Durchschnitt pro Jahr einhundertdreißig Millionen Liter aus der Erde. Das reicht, um alle Kunden zu beliefern und genügend Brauchwasser für die Spülung der Flaschen zur Verfügung zu stellen. Es reicht, es ernährt uns. Und weil das noch lange so bleiben soll, bohren wir nicht wild. Was den meisten Menschen vollkommen abgeht, was sie gar nicht begreifen können, ist die Kostbarkeit des Wassers. Sie tun so, als hätten wir Wasser in Hülle und Fülle. Das haben wir aber nicht, wir müssen sorgsam damit umgehen.«
Die Kamera war jetzt auf zwanzig Metern Tiefe, fuhr durch glatte Felswände, stieß auf Schichten, die wie Geröll wirkten, in denen Kohlensäure wie Perlenschnüre in das Wasser eintrat.
»Habe ich das richtig verstanden, dass im Gebiet der alten Vulkane oft Grundwasser zu finden ist?«, fragte Rodenstock.
»Ja«, antwortete er. »Das stimmt.«
»Und was ist, wenn die Vulkane wegen der Steine und der Vulkanasche abgebaut werden?«
»Dann verlieren wir fast jedes Mal ein Wassergewinnungsgebiet«, stellte Kreuter lapidar fest. »Das ist ein Riesenproblem. Oder besser gesagt wird das einmal zu einem Problem werden.«
Nach einer halben Stunde fuhren wir wieder, voll gepackt mit Wissen um Wasser und seine Gewinnung.
Rodenstock zog sich mit Emma in
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