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Eifel-Wasser

Eifel-Wasser

Titel: Eifel-Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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den Tieren finden, ob es zur Identifizierung ausreicht. Wir haben ausgemacht, dass diese Wildschweingeschichte nicht an die Presse gegeben wird, bis wir endgültig wissen, wer der Tote ist.«
    »Kann ich auch einen Schnaps haben?«, fragte Vera etwas zittrig. »Das war zu viel für meine Nerven.«
    Es folgte eine dieser völlig nichts sagenden, dümmlichen Unterhaltungen, wie nur Menschen sie fertig bringen. Gelegentlich murmeln sie ein Wort, nur um kenntlich zu machen, dass sie noch atmen. Menschen, die viel lieber für sich allein sein würden, weil sie ununterbrochen an diesen langen entsetzlichen Tisch denken müssen, von dem sie nur durch eine dünne Wand getrennt sind.
    Emma war die Spezialistin für den Diskussionsbeitrag: »Entsetzlich!«
    Rodenstock bevorzugte ein fast gehauchtes: »Ja, ja!«
    Vera hatte es mit: »Oh, mein Gott!«
    Der Förster, ein durchaus intelligenter und freundlicher Mensch, blickte in die Runde und steuerte nachdenklich »Merkwürdiges Schicksal!« bei, das er in erstaunlichen Variationen modulieren konnte.
    Als ich mich dabei ertappte, in ein nicht enden wollendes »Nä, nä!« auszubrechen, schaltete ich vorübergehend mein Gehirn wieder ein und sagte schüchtern: »Nehmt es nicht übel, Leute, aber ich muss jetzt ins Bett.«
    Sofort knipsten alle den amöbenhaften Geisteszustand aus und nickten lebhaft. Wir verabschiedeten uns, quetschten uns erneut an dem Tisch vorbei durch den unsäglichen Gestank, erreichten unsere Autos und fuhren in wilder Flucht vom Hof.
    »Das ist doch bescheuert«, schimpfte ich. »Wir sind doch erwachsene Menschen! Wir müssen doch nicht so einen Schwachsinn von uns geben, wir können doch auch mal schweigen.«
    Vera lachte, sagte aber zunächst nichts. Schließlich murmelte sie: »Es ist doch nur Ausdruck unserer Hilflosigkeit, wenn wir so herumstammeln. Karl-Heinz Messerich hat nach seinem Tod etwas erreicht, was er zeitlebens niemals erreichen konnte. Er hat uns schockiert, Baumeister, besser: geschockt. Wer war er? Ein Heimkind, herumgestoßen, ein Kleinkrimineller, ein Stricher. Jemand, dem der christliche Breidenbach finanziell unter die Arme griff, ihm Tickets für einen Flug nach Kreta bezahlte. Ein Loser, wie er im Buche steht. Und dieser Loser kriegt plötzlich Bedeutung, weil Breidenbach ermordet wurde. Dieser Loser wird, Zufall oder nicht, in diesen Strudel hineingerissen, wird getötet und den Wildschweinen zum Fraß vorgeworfen. Er endet in blutigen Fetzen und wird damit auf der Titelseite der BILD ganz groß herauskommen. Ich glaube, Baumeister, dass er jemand war, den wir zu seinen Lebzeiten nicht wahrgenommen hätten. Das macht mich ganz sprachlos. Das und das Blut und dieser ekelhafte Gestank.«
    Darauf gab es nichts zu sagen. Ich strich ihr über das Haar.
    Nachdem wir die Wagen auf meinem Hof abgestellt hatten, meinte Rodenstock zu mir: »Wir müssen noch reden, bevor wir ins Bett gehen. Wir müssen alles ein wenig anders angehen. Emma meint, wir haben einige Dinge nicht genügend durchdacht.«
    »Stimmt«, nickte ich. »Aber ich fürchte, wir werden heute nicht mehr weiterkommen. Ich ... gut, lass uns reden.«
    Es war schon fast drei Uhr und meine Müdigkeit machte es mir schwer, diszipliniert zu sein. Wir hockten uns ins Wohnzimmer, Emma zündete sich umständlich einen Zigarillo an, Rodenstock eines seiner pechschwarzen Ofenrohre, Vera holte sich einen Wein.
    »Wir haben Klara getroffen«, berichtete ich. »Die alte Frau, die auf dem Weg zum Steinbruch das letzte kleine Haus bewohnt. Sicherlich keine Person, die die Staatsanwaltschaft zur Zeugin machen würde. Klara hat einige der Leute identifiziert, die in der Nacht von Breidenbachs Tod im Steinbruch waren. Und sie hat ausgesagt, dass Maria Breidenbach in jener Nacht mit ihrem Cabrio vorbeikam, dann aber stehen blieb, nicht weiterfuhr. Das heißt, dass die Frau des Opfers aus irgendeinem Grund dort oben war, aber keinen Kontakt zu ihrem Mann suchte. Warum?«
    »Wer war denn im Steinbruch?«, fragte Emma sachlich.
    »Mit Sicherheit Holger Schwed und Karl-Heinz Messerich. Klara sagt, auch Abi Schwanitz sei dort gewesen. Aber die beiden letzten hat sie nur anhand der Motorengeräusche identifiziert und ich weiß nicht, inwieweit wir der alten Frau so eine Leistung wirklich zutrauen können.«
    Emma hob den Zeigefinger, eine Geste, die ich noch nie bei ihr erlebt hatte. »Maria Breidenbach kam mit ihrem Cabrio, hielt an, blieb eine Weile stehen und fuhr dann wieder. War das die

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