Eifelheiler (German Edition)
dichtmachte, je näher sie sich gedanklich
dem eigentlichen Mord näherten. Quasi immer um den heißen Brei herum. Daher
vermied er es, das Wort Mord in den Mund zu nehmen. Doch bei Wolf war die
Befürchtung unbegründet.
»Vrönn hat mich überrascht, als ich das Haus durchsuchte«, begann er
zu erzählen. »Wie eine Furie stürmte sie auf mich zu und beschimpfte mich. Am
Anfang war ich ziemlich von der Rolle, ich hab ja gedacht, sie wäre in Urlaub.
Als der erste Schock vorbei war, habe ich das Messer gezogen und auf sie
eingestochen.« Wolf brach ab und bewegte die gefesselten Hände durch die Luft,
als würde er ein Messer führen. »Eine Kurzschlussreaktion, ich hatte Angst,
aufzufliegen. Wie hätte ich dagestanden, wenn sie das rausposaunt hätte. Mein
Malerbetrieb wäre hundertprozentig den Bach runtergegangen. Wer holt sich schon
einen Handwerker ins Haus, der heimlich in der Unterwäsche wühlt?«
Kühl und klar vorgetragen, dachte Fischbach. War es wirklich ein
kaltblütiger Mord aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus? Ihm fehlten bei
dieser Erklärung die Emotionen, etwas von dem Hass, den er bei solch einem
brutalen Mord erwartet hatte. Oder betrachtete Wolf die Sache nur so sachlich
distanziert, um sich selbst zu schützen, um sich fernzuhalten von dem grausigen
Ereignis, dessen Urheber er war?
»Du Monster«, sagte Maria Bartels.
Fischbach bemerkte, dass Bianca Willms Wolf entsetzt anschaute. »Sie
sind durch den Geheimgang ins Haus gelangt?«, fragte er.
»Ja.«
»Woher wussten Sie davon?«
»Ich habe Ihnen doch von der Renovierung des Hauses erzählt. Als ich
die Kellerwände trockenlegte, stieß ich auf lose Steine. Einige weitere
Handgriffe, und der Gang lag offen vor mir.«
»Und Sie sind da einfach so rein?«
Müde zuckte Wolf mit den Schultern. »Wie man es sieht. Ein wenig
mulmig war mir schon zumute. Aber die Hoffnung, auf einen Schatz zu stoßen,
trieb mich voran.«
Fischbach kratzte sich am Hinterkopf. »Einen … Schatz?«
»Ja sicher. Warum auch nicht? Sie können sich gar nicht vorstellen,
an welche Strohhalme man sich klammert, um Geld für die Behandlung seines
Kindes aufzutreiben.«
Plötzlich fügten sich für Fischbach die Puzzleteile zusammen. Er
wollte Wolf mit seiner Theorie konfrontieren, doch Maria Bartels kam ihm zuvor.
»Jetzt verstehe ich. Du hast in Vrönns Haus nach ihrem sagenhaften
Bargeld gesucht«, sagte sie bissig. »Du bist der Geist, vor dem Vrönn sich in
letzter Zeit geängstigt hat.«
»Letztens, in der Nacht von Montag auf Dienstag, da ist mir in
Kronenburg fast ein weißer Lieferwagen ins Blech gerauscht«, sagte Welscher.
»Das waren Sie, stimmt’s?«
Wolf erwiderte nichts.
»Und den Kühlschrank nutzten Sie als Tarnung. Dass Veronika Kramann
das Gerät kaum zur Seite schieben würde, wussten Sie.« Er stand auf und
schüttete Wasser in ein Glas. Er gab es Bianca Willms, die ihn dankbar ansah.
»Warum haben Sie das Messer am Tatort zurückgelassen?«, fragte
Fischbach. Irgendetwas an der Geschichte störte ihn. Sie war zu rund und zu
glatt. Dazu kam Wolfs ungewöhnlich offene Art.
»Panik. Als mir klar wurde, was ich angerichtet hatte, bin ich auf
und davon.«
Fischbach musterte ihn. Der Mann wirkte niedergeschlagen. Seine
Schultern hingen herab, der Rücken war gekrümmt, und die Augen hatte er
geschlossen. »Was für Schuhe trugen Sie?«
Wolf schwankte leicht auf seinem Stuhl. »Stiefel.«
»Obwohl Sie in Panik hinausgestürmt waren, sind Sie einige Tage
darauf noch mal an den Tatort zurückgekehrt.«
»Ja. Es blieb mir nichts anderes übrig. Wir brauchen Geld für eine
neue Behandlungsmethode für Patrick. Hätte Vrönn uns das Geld geliehen … aber
sie hasste ihn. Den Bastard, wie sie ihn nannte.« Seine Stimme brach.
Fischbach hatte genug gehört. Er griff zum Telefon und rief die
Kollegen an. Kurz darauf wurden Maria Bartels und Günter Wolf abgeführt. Obwohl
er tief in sich noch Zweifel spürte, schienen sie unbegründet zu sein. Er
konnte Wolfs Motiv nachvollziehen. Der Malermeister hatte auf alles eine
schlüssige Antwort, ganz zu schweigen von seinem Geständnis. Wenn die
Rechtsmedizin jetzt auch noch die Tatwaffe eindeutig zuordnen konnte, wäre der
Fall gelöst.
ZWEIUNDZWANZIG
Das Telefon holte Welscher aus seinem tiefen, traumlosen
Schlaf. Ächzend drehte er sich in seinem Bett zur Seite und schaute auf den
Radiowecker. Die Digitalanzeige zeigte kurz vor zehn am Morgen. Er ließ sich
zurückfallen und schloss die Augen.
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