Eifelheiler (German Edition)
Das Klingeln dröhnte in seinem Kopf. Er
verfluchte sich selbst, nicht daran gedacht zu haben, den Anrufbeantworter
einzuschalten, und presste sich das Kissen auf die Ohren.
Der Anrufer war sehr hartnäckig, doch schließlich gab er es auf, und
das Klingeln verstummte. Erleichtert ließ Welscher das Kissen los, verschränkte
die Arme hinter dem Kopf und versuchte sich zu erinnern, was er seit Wolfs
Festnahme unternommen hatte.
Fischbach hatte ihn nach Hause geschickt, als spät am Nachmittag die
Rechtsmedizin Wolfs Messer eindeutig als Tatwaffe identifiziert hatte.
Nach der Einnahme von drei Schmerztabletten wegen stechender
Kopfschmerzen war er ins Bett gefallen. Den Samstag hatte er eingewickelt in
einer Decke vor dem Fernseher verbracht. Dem Pizzadienst sei Dank war er dabei
nicht verhungert.
Er schreckte zusammen, als das Telefon wieder schrillte. Sein erster
Reflex ließ ihn zum Kissen greifen. Doch er ahnte, dass der Sonntagsstörer
keine Ruhe geben würde, bis er ihn endlich aus dem Bett geklingelt hatte.
Stöhnend setzte er sich auf die Bettkante. Die Kälte der Fliesen
krabbelte durch seine Füße die Beine hinauf. Er sehnte sich nach den Dielen im
Gästezimmer der Fischbachs. Holz strahlte eine natürliche Wärme aus. Eine
Wärme, die gefühlte zwanzig Grad über der Bodentemperatur in seiner Wohnung
lag.
Ob Fischbach der Anrufer …
Sicher nicht. Der Eifelkopp hatte ihm bis zur Pressekonferenz am
Montagmorgen freigegeben. »Kurier dich mal richtig aus«, hatte er gesagt, mit
seinen lächerlichen Hosenträgern geschnalzt und ihn zur Tür hinausgeschoben.
Nur bei einem neuen Mordfall hätte Fischbach seine Ruhe gestört.
Kurz erfasste Welscher ein Energieschub. Ein neuer Fall würde ihm
einen Grund geben, der tristen Umgebung, in der er hauste, zu entfliehen. Doch
dann fiel er wieder in seine Melancholie der letzten Stunden zurück. Darauf zu
hoffen, dass jemand ermordet wurde, damit er sich nicht in Selbstmitleid über
sein in Scherben liegendes Privatleben erging, deprimierte ihn noch mehr.
Das Telefon hörte auf zu läuten, nur um kurz darauf wieder
loszulegen.
Ärger keimte in ihm auf. Was sollte der Telefonterror? Dass er nicht
an den Apparat ging, zeigte doch deutlich, dass er mit niemandem sprechen
wollte. Warum respektierte der Telefonterrorist das nicht? Er schlug mit den
Fäusten auf die Matratze und hechtete hoch. Mit springenden Schritten rannte er
über die eiskalten Fliesen in den Flur, nahm den Hörer auf und blaffte: »Jetzt
ist es aber genug!«
Sekundenlang hörte er nur ein Atmen.
»Jan?«
Er schloss die Augen. Er verspürte keine Lust auf ein Gespräch mit
seiner Mutter.
»Jan? Bist du noch dran?« Ihre Stimme klang besorgt.
»Ja.«
»Gott sei Dank.« Sie atmete hörbar aus. »Ich dachte schon, dir wäre
etwas passiert.«
»Was soll mir denn passiert sein?«
»Du bist schließlich Kommissar«, sagte sie in einem unerwartet
heftigen Tonfall, »und als du nicht drangegangen bist, da habe ich …«
»Mama, ist gut.« Seit er die Entscheidung getroffen hatte, zur
Polizei zu gehen, lebte seine Mutter in ständiger Angst um ihn. »Mir geht es
gut.« Lügner, schalt er sich selbst. »Warum rufst du an?«
Eine Pause entstand. Vermutlich musste seine Mutter erst Mut fassen.
»Wann kommst du mal vorbei?«
Resigniert lachte er auf. »Was soll das, Mama? Er hat mich
rausgeworfen und mir verboten, jemals wieder über die Schwelle zu treten.«
Er hörte sie weinen. »Dein Vater … er ist kein Problem.«
»Ach hör auf«, sagte er ärgerlich, »wenn es so wäre, könnte er es
mir ja auch selbst sagen.«
»Kann er nicht.«
»Warum nicht?«
Wieder entstand eine Pause, bis seine Mutter antwortete: »Ich möchte
nicht am Telefon darüber sprechen. Vertrau mir bitte. Komm vorbei.«
Er holte tief Luft. Anscheinend war etwas passiert. Seine Mutter zu
drängen war zwecklos. Sie war ein Dickschädel. Wenn sie es für besser hielt,
persönlich über was auch immer zu sprechen, dann würde er sie nicht umstimmen
können.
»Wann hast du Zeit?«, fragte sie. Es klang fast wie ein Betteln.
Welscher ließ sich erweichen. »Nächste Woche«, sagte er.
Gleichzeitig ärgerte er sich über seine Nachgiebigkeit. Der alte Herr hatte es
eigentlich nicht verdient. »Ich melde mich vorher und höre, ob ihr da seid.«
»Du kannst auch jemanden mitbringen, wenn du magst.«
»Ja, klar.«
»Wirklich. Ich würde mich freuen.«
Er ging nicht weiter darauf ein und verabschiedete sich knapp.
Eine
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