Eifelheiler (German Edition)
ließ ihn schnell hinzufügen: »Äh, ich meine, schön, dass du
mal wieder vorbeischaust.« Unschlüssig blieb er im Türrahmen stehen.
Seine Mutter musterte ihn über den Rand der Lesebrille hinweg, die
sie immer trug, auch wenn sie gerade nichts entziffern musste. Ihre grauen
Haare hatte sie zu einem Dutt zusammengebunden. »Du bist dick geworden«, sagte
sie vorwurfsvoll. »Siehst aus wie ein dicker Chressboom.«
Nette Begrüßung, dachte Fischbach und schob sich auf die Eckbank
unter der Küchenuhr. Dabei drückte er mit seinem Bauch den Tisch nach vorne.
Die Tischbeine holperten über die Dielen, und sein Glas klirrte gegen den
Teller.
Seine Mutter hob eine Augenbraue und signalisierte ihm damit, wie
recht sie hatte.
»Das wirkt nur so«, verteidigte ihn Sigrid und verteilte das Essen.
»Er trägt ein gefüttertes Baumwollhemd unter dem Pullover. Ist ja noch kalt
draußen.«
»Soll er halt Auto fahren.«
In Fischbach keimte Wut auf. Seine Mutter wusste genau, warum er
sich nicht mehr in einen Wagen setzte. Sie hatte seine Entscheidung jedoch nie
akzeptiert, sie sogar als Blödsinn abgetan. Ärgerlich zerdrückte er die
Kartoffeln, so heftig, dass die Soße auf den Tisch schwappte.
»Wie geht es dir denn so?«, fragte Sigrid, um wieder in ruhigeres
Fahrwasser zu gelangen.
Fischbachs Mutter streckte den Rücken durch. »Nett, dass du fragst.
Mein Sohn hält es offenbar nicht für nötig, sich danach zu erkundigen.«
»Ich wollte auch gerade …«, wandte Fischbach halbherzig ein, wurde
aber von seiner Mutter unterbrochen.
»Ach, erzähl mir doch nichts.« Sie beugte sich vor und legte Sigrid
eine Hand auf den Unterarm. »Letztens hat man mir mein Gebiss geklaut.«
Fischbach verschluckte sich und hustete. »Das Gebiss?«
»Ich habe es abends im Bad ins Glas gelegt, am Morgen war es fott.«
Sie schob sich ein Stück Roulade in den Mund und verzog anerkennend das
Gesicht. »Schmeckt viel besser als das pampige Zeug bei uns. Könnte ich mich
dran gewöhnen.«
Vergiss es, dachte Fischbach. Du isst auch in Zukunft schön im Heim.
Seine Mutter warf ihm vor, dass sie nicht hier im Haus das Obergeschoss
bewohnen durfte, sondern von ihm ins Altenheim abgeschoben worden war. Bei
jeder Gelegenheit wies sie mehr oder weniger versteckt darauf hin.
»Dann musstest du dir also ein neues anfertigen lassen?«, fragte
Sigrid.
»Nee.«
»Nee?« Erstaunt sah Fischbach seine Mutter an.
»Nee. Ich bin zur Verwaltung und habe mich beschwert, einen
richtigen Aufstand habe ich gemacht, das kannst du mir jlövve. Und stell dir
vor: Als wir dann gemeinsam nachschauen gegangen sind, waren die Zähne wieder
da.«
»Wieder da?«, echote Fischbach.
»Sicher dat. Standen im Alibert.«
»Du wirst sie selbst dorthin gestellt haben«, vermutete Sigrid.
»Nix da«, echauffierte sich Fischbachs Mutter. »Ich stelle sie immer
auf den Beckenrand. Könnte doch sein, dass es mal brennt und ich schnell raus
muss. Da will ich doch nicht erst lange suchen. Ohne Zähne los, das geht doch
nicht.« Sie wies mit der Gabel auf Sigrid. »Würdest du auch nicht wollen.«
Fischbach lehnte sich vor. »Und wie erklärst du dir dann das
plötzliche Wiederauftauchen der Zähne?«
»Ganz einfach.« Triumphierend reckte sie den Hals. »Der Dieb hat
mitbekommen, was ich für einen Terz in der Verwaltung gemacht habe, und Angst
bekommen, entdeckt zu werden. Da ist er schnell los und hat das Gebiss
zurückgebracht.«
»Hattest du denn nicht abgeschlossen, als du runter bist?«, fragte
Fischbach.
»Doch, natürlich.« Seine Mutter feixte. »Darüber habe ich auch schon
nachgedacht.« Sie kaute zufrieden auf ihrer Roulade.
Als es Fischbach zu bunt wurde, fragte er: »Und? Zu welchem Ergebnis
bist du gekommen?«
»Die Putzfrau.«
»Die Putzfrau?«
»Die habe ich schon länger im Verdacht. Ist nicht von hier, kommt
aus dem Osten. Bestimmt hat sie meine guten Dritten für einen Verwandten
mitgehen lassen wollen.«
Fischbach staunte, wie man sich eine solche Räuberpistole ausdenken
konnte. »Also, niemand klaut Zähne, wenn du mich fragst.«
Die Miene seiner Mutter verfinsterte sich. »Weißt du, wie teuer die
Dinger inzwischen sind? Da kannst du dir einen Kleinwagen von kaufen.«
Fischbach schloss die Augen und rieb sich entnervt den Nasenrücken.
Er wusste, dass es besser war, nicht weiter darauf einzugehen. Stumm zählte er
bis zehn und nahm sich vor, das Gespräch mit der Verwaltungsleitung zu suchen.
Vielleicht hatte seine Mutter in letzter
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