Eifelteufel - Kriminalroman
Lange genug sein können. Hinsichtlich des Anblicks war sie zwar nicht sonderlich empfindlich. Sie war in einer Metzgerei groà geworden. Dort traf man bereits als Kind auf reichlich Blut, Knochen und aufgerissene Leiber. Doch der Gedanke daran, dass die Person auf dem Tisch des Gerichtsmediziners unverhofft aus dem Leben gerissen worden war, trieb ihr doch jedes Mal eine Gänsehaut auf die Unterarme.
Eine Wandergruppe kam ihr entgegen. Sie verringerte das Tempo und lieà ihren schwarzen Dienst-Golf langsam an der Gruppe vorbeirollen, dann trat sie wieder auf das Gaspedal. Kurz darauf erreichte sie einen der blau-silbrigen Streifenwagen. Er stand auf der linken StraÃenseite und blockierte die Zufahrt zu einem Hof. Sie parkte dahinter, stieg aus und nickte den beiden Kollegen im Auto zu.
Auf der gekiesten Fläche vor dem Haus hatte das Hinterrad von Fischbachs Harley einen deutlichen Strich hinterlassen. Mit erkaltend knisterndem Motor stand das Motorrad jetzt neben Welschers Fiesta, einem Bully der Tatortgruppe und einem Honda mit Münchner Kennzeichen. Links gackerten einige Hühner unter einem Pflaumenbaum. Ein mit krakeligen Buchstaben beschriftetes Holzschild wies auf frische Eier hin. Rechts an das Wohngebäude schloss sich ein Stall an.
Sie betrat den Flur. Links ging es ins Badezimmer. Die Tür stand offen, und Feuersänger knipste Fotos.
»Verfluchte Sauerei«, murmelte er und schlug nach den Fliegen.
Andrea stellte sich in den Türrahmen. Die unverkleidete Wanne stand auf schnörkeligen FüÃen. Ein beleibter Mann lag im Badewasser. Sein offen stehender Mund mit der tiefblauen Zunge und das teilweise verweste Gesicht lieÃen keinen Zweifel daran aufkommen, dass er tot war. Schrumpelig hing die grauweiÃe Haut von dem bis zum Hals mit Wasser bedeckten Körper herab. Tiefe Furchen hatten sich darin eingegraben. Waschhaut, dachte sie und schauderte. Beim Herausnehmen des Leichnams würde sie sich groÃflächig ablösen. Auf Höhe der linken Schulter des Mannes lag ein Kofferradio im Wasser. Das Netzkabel wand sich über den Beckenrand bis zu einer Steckdose neben dem Alibert über dem Waschbecken. Auf dem Boden lag ein fleckiges Handtuch. In den Augenwinkeln des Toten bemerkte Andrea eine Bewegung. Maden. Die hatte sie noch nie leiden können. Sofort juckte es sie am ganzen Körper. Es reichte ihr, wenn sie im Sommer hin und wieder ihre Biotonne mit Insektenspray behandeln musste, um sie loszuwerden. Bei der Arbeit konnte sie gut auf die Mistviecher verzichten, besonders in Kombination mit einer Leiche. Trocken würgte sie.
Feuersänger schien sie erst jetzt zu bemerken. Er senkte die Kamera. »Ah, du bist es. Ja, ja, kein schöner Anblick. Der arme Kerl ist schon eine Weile hin. Ein bis zwei Wochen bestimmt. Aber ein Entomologe wird da mehr zu sagen können.«
Aus dem Mund des Toten krabbelte eine Fliege und summte davon.
»Selbstmord?«
Feuersänger zuckte mit den Schultern. »So weit sind wir noch nicht. Geh mal ins Wohnzimmer. Hotte hat sich mit dem Sohn des armen Kerls dorthin zurückgezogen. Wenn Jan sich bereits ausgekotzt hat, ist er bestimmt auch anwesend.« Ein süffisantes Lächeln umspielte seine Mundwinkel. »Weichei. Immer âne freche Schnauze, aber bei dem Anblick eines Toten macht er einen auf Mimose.«
»Sei nicht ungerecht. Es gibt wirklich Schöneres.« Sie lieà ihn stehen und orientierte sich auf ihrem Weg zum Wohnzimmer an Fischbachs mitfühlender Stimme. Sie klopfte gegen die offen stehende Tür und stellte sich dem vierschrötigen Mann vor, der wie ein Häufchen Elend auf der abgewetzten Samtcouch saÃ. Blass stand Welscher am geöffneten Fenster neben dem Fernsehschränkchen und nickte ihr zu.
Fischbach wies auf den Mann. »Das ist Manfred Lörsch. Der Verstorbene in der Wanne ist sein Vater Gustaf.«
Andrea Lindenlaub schenkte Lörsch einen bedauernden Blick.
Der rieb sich unablässig die Hände. »Ich wollte ihn überraschen. Ein spontanes verlängertes Wochenende, Sie verstehen? Bin heute in der Früh los. Ich habe noch nicht mal geklingelt, bin direkt rein. âºPapaâ¹, habe ich gerufen. Und dann sah ich ihn â¦Â« Er brach ab, seine Pupillen weiteten sich. Anscheinend erlebte er in Gedanken erneut die schrecklichen Sekunden.
Fischbach beugte sich vor. »Erzählen Sie uns bitte was über Ihren Vater.«
Andrea zog
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