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Eigentlich bin ich eine Traumfrau

Eigentlich bin ich eine Traumfrau

Titel: Eigentlich bin ich eine Traumfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Seidel
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ist? Was soll ich dann nur tun? Was für ein egoistischer Gedanke! Besser: Was kann ich dann für Toni tun? Natürlich werde ich bis zuletzt ihre Hand halten und ihr vielleicht meine Raymond-Chandler-Sammlung vermachen – für die Zeit im Krankenhaus. Vielleicht werde ich auch vorher noch mit ihr verreisen. Ich denke an die beiden blaubekittelten Arbeiterinnen, gespielt von Brenda Blethyn und Julie Walters aus dem Film »Girls’ Night – Jetzt oder nie«, in dem bei einer der Frauen plötzlich ein Gehirntumor diagnostiziert wird und sie dann nach Las Vegas aufbrechen. Brenda Blethyn hat später im Interview erzählt, sie habe geweint, als sie das Drehbuch gelesen hat. Ich lege instinktiv meine Hand auf Tonis.
    Â»Was hast du denn?«, fragt sie irritiert.
    Ich sehe verschwommen meine Tränen, die auf den Tisch tropfen.
    Â»Nichts«, sage ich schnell und wische die verräterische Flüssigkeit weg. Toni ist sicher nicht der Typ, der gerne bemitleidet wird. »Eigentlich wollte ich dich fragen, was du hast?«
    Misstrauisch sieht sie mich an, als vermute sie, ich würde gleich auf den Tisch springen, um die Karaoke-Nummer von »Like A Virgin« hinzulegen. Dann erzählt sie mir aber doch, was sie beschäftigt. »Ach, ich muss derzeit jede Nacht mit meinem Vater telefonieren. Meine Mutter ist vorübergehend ausgezogen.«
    Zuerst bin ich erleichtert. Das erscheint mir, verglichen
mit dem Drama, das ich mir ausgemalt hatte, eher harmlos. Doch dann fällt mir ein, wie sehr Toni an ihren Eltern hängt. Es ist doch merkwürdig. Eigentlich ist man erwachsen und weiß genau, wie schnell eine Beziehung den Bach runtergehen kann. Dennoch kann einen der Gedanke an die Trennung der Eltern immer noch so sehr treffen, wie eine Sechsjährige, die sich Mami und Papa gar nicht anders als in dieser asexuellen Doppelrolle vorstellen kann.
    Â»Was ist denn passiert?«
    Â»Nichts. Sie will nur Zeit und Abstand, um mal wieder zu sich selbst zu finden.« Sie verzieht angewidert das Gesicht. Mein erster Impuls ist, über Tonis Wut zu lachen. Denn soweit ich weiß sind das genau die Worte, mit denen sie sonst ihre Lebensabschnittsgefährten aus ihrem Leben fegt.
    Â»Meinst du denn, sie haben sich endgültig getrennt? Vielleicht sieht sie ja ganz bald ein, was sie an ihm hatte und kehrt reumütig zurück? Das ist bei Männern doch auch meistens so.«
    Â»Ich hoffe, du hast Recht. Noch zwei Gimlets.«
    In dem Moment trudelt mit einiger Verspätung Peter ein, der eigentlich gar nicht mehr gebraucht wird. Und an einem spirituösen Abend wie diesem ist er noch nutzloser, seit er fast keinen Alkohol mehr trinkt. Nur noch Chai-Tee, Grünen Tee und total antioxidativen Goji-Beeren-Saft. Er hat sich verspätet, weil ihm die sanfte Liu zum ersten Mal so richtig die Hölle heißgemacht hat. Inzwischen hat sie wohl in einem Volkshochschulkurs ihr Deutsch gewaltig aufpoliert und dabei eine Ahnung bekommen, dass Peters Kosename für sie nur ein halbes Kompliment ist. Zwar lobt der erste Teil des »Alabasterschweinchens« ihren schönen,
hellen Teint, die andere Hälfte setzt sie allerdings mit einem stinkenden Nutztier gleich und spielt vermutlich auch noch auf ihre rundliche Figur an. Da hilft auch die Verniedlichung »-chen« hinter dem fetten Tier nichts mehr. Toni und ich haben inzwischen einen Schwips, lachen uns – widerlich, wie betrunkene Frauen nun einmal sind – schlapp und machen ganz und gar nicht niedliche Grunzgeräusche.
    Â»Auf das wunderbare Single-Leben«, ruft Toni dann mit wahrer Inbrunst. Wahrscheinlich denkt sie dabei nicht nur an Peters Beziehung, sondern auch an die ihrer Eltern. Ich hebe mein Glas mit so viel Schwung hoch, dass die Hälfte der Flüssigkeit auf Peters Hose spritzt.
    Â»Ihr seid ekelhaft und betrunken.« Er schmollt.
    Â»Entschuldigung, Peter, aber dafür habe ich eine Geschichte, die dich aufheitern wird«, sagt Toni.
    Ich persönlich bin so angeheitert, dass ich wahrlich keine Aufheiterung mehr brauche, und nutze die Gelegenheit, um auf die Toilette zu verschwinden.
    Â»Das hast du nicht wirklich getan?«, fragt Peter mich, als ich an meinen Platz zurückkehre, und bricht in ganz und gar unphilosophisches Pferdegewiehere aus. Natürlich hat Toni die ganze Geschichte von meinem Ehrlichkeitsexperiment brühwarm erzählt.
    Â»Du bist an allem schuld,

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