Eigentlich bin ich eine Traumfrau
Peter!«, entfährt es mir. Eigentlich sollte er ja nicht wissen, dass einer seiner lustigen SpäÃe solche Auswirkungen auf mein Leben hatte. Aber der Trottel begreift nicht mal, worum es geht. Verwundert starrt er mich an.
»Das Buch«, presse ich durch nur knapp geöffnete Lippen hervor.
Der Groschen fällt. »Oh!«, sagt Peter. Dann seufzt er und greift nach meinem Arm, »So gehst du also mit meinen Geschenken um. Du hast ja nicht mal reingesehen«, wimmert er theatralisch. »Hättest du zumindest mal einen kleinen Blick hineingeworfen, hättest du entdeckt, dass ich dir vorne etwas reingeschrieben habe: âºAlles ist relativ.â¹ Du hattest dich so in deine To-do-Listen reingesteigert und dabei die ganze Zeit küchenpsychologisch von Ehrlichkeit und Authentizität gequatscht, dass ich mir den kleinen Gag erlauben musste. Er war keine Aufforderung zu mehr Ehrlichkeit, sondern zum entspannteren Umgang mit dir selbst. Lügen sind der Schmierstoff im Getriebe, in dem unsere Gesellschaft läuft.«
»Hey, das sagst ausgerechnet du als philosophischer Berater?« , rufe ich entsetzt und erleichtert zugleich.
»Ja, klar, gerade als philosophischer Berater. Es geht dabei nicht um Lebensregeln, das Richtige zu sagen oder zu tun, sondern darum, die richtigen Fragen zu stellen.«
Ich ahne, was nun kommen wird, bin aber immer noch so erleichtert, dass ich bereitwillig einem von Peters Zitaten groÃer Philosophen lausche. »Das Los des Menschen scheint zu sein nicht Wahrheit, sondern Ringen nach Wahrheit, nicht Freiheit und Gerechtigkeit und Glückseligkeit, sondern Ringen danach«, sagt er und legt sich dabei die Hand auf die Brust.
Toni kichert: »Klingt nicht sehr erfüllend. Vielleicht solltest du öfter mit dem Alabasterschweinchen ringen, damit ihr euch nicht so viel unterhalten müsst. Dieses ganze Gequatsche muss sie doch in den Wahnsinn treiben.«
Ganz kurz glimmt Zorn in Peters Augen auf, dann hat
er sich wieder unter Kontrolle. Innerlich stimme ich Toni zu, für mich klingt Peters Geschwafel auch eher konfus als nach Konfuzius. Da wirft er Toni auch schon wieder einen hochmütigen Blick zu, zieht elegant eine Augenbraue hoch und sagt: »Die Spötterei ist eine höchst schädliche und gefährliche Waffe, wenn sie in ungeschickte und täppische Hände gerät.«
»Hm, lass mich raten«, brummelt Toni und stützt nachdenklich das Kinn in ihre Hand. »Snoopys gesammelte Werke?«
»Nein«, entgegnet unser Privatphilosoph nun doch unkontrolliert beleidigt, »Philip Stanhope Earl of Chesterfield in den âºBriefen über die anstrengende Kunst, ein Gentleman zu werdenâ¹.«
Da müssen wir lachen, selbst Peter lächelt milde. Das Werk muss er in seiner weltlichen Zeit gelesen haben, als er sich an der Uni noch als Dandy in unpassend eleganten Anzügen versuchte. Von einem Gentleman sehe ich bei Peter keine Spur mehr. Zumindest denke ich bei einem Gentleman eher an Einstecktücher als an Ohrkerzen. Vielleicht tritt er ja bald in eine neue existenzielle Phase ein und entspannt sich wieder.
Toni macht Anstalten einzulenken. »Ach komm, Peter, du kannst doch Unwürdigen wie uns nicht böse sein. Wir gehen jetzt zu Juli und sehen uns einen netten Film an. Und wenn du wieder nach Hause gehst, hat Alabasterschweinchen dich schon so vermisst, dass sie dir auch ohne viele Worte alles verzeiht. Was empfiehlst du, Juli?«
Wir verlassen die Bar und gehen zu mir, um uns zu Peters Trost »Peterâs Friends« anzusehen. In dem Streifen muss ein
anderer Peter mit all seinen verkorksten Freunden klarkommen, die trotz allem absonderlichen Gebaren tiefe Gefühle füreinander hegen.
A m Ende der Woche habe ich viel zu wenig gearbeitet, dafür aber mit Hilfe von Frauenzeitschriften an meinem neuen, charismatisch-souveränen Ich gebastelt. SchlieÃlich ist es ja nur noch eine Woche hin bis zu dem groÃen Treffen. Schuldbewusst sitze ich am Freitagabend auf meinem Sofa und blicke auf das Chaos auf dem FuÃboden â Zeitschriften, Bücher und Klamotten. Mir fehlt die Kraft, sie aufzuräumen. Ein grauenhafter Abend steht mir bevor. Niemand hat Zeit. Keiner mag mich. Freitagabends ungewollt allein zu sein, ist schon ziemlich frustrierend. Ich sollte mir vielleicht eines der beiden noch ungelesenen Bücher von Rafael zu Gemüte führen, doch dann fallen mir meine
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