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Eigentlich bin ich eine Traumfrau

Eigentlich bin ich eine Traumfrau

Titel: Eigentlich bin ich eine Traumfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Seidel
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Erfahrungen mit dem ersten Versuch wieder ein. Ich lasse sie aber nicht etwa unberührt im Regal liegen, weil mich seine erlesene Prosa langweilen könnte. Natürlich nicht. Ich will nur nicht mit einem möglicherweise falschen Bild im Kopf unserer ersten Begegnung entgegensehen. Es ist doch viel besser, unbefangen auf ihn zuzugehen. Umfassend über seine Person informiert habe ich mich ja schon bei Wikipedia: Er ist acht Jahre älter als ich (genau richtig), westliches Sternzeichen Zwilling, östliches Zeichen Hund (Tanja fragen, was das für mich bedeutet). Er hat bereits elf Bücher veröffentlicht, wichtige Preise ergattert und ein Jahr in Rom gelebt, weil man ihm dafür ein Stipendium verliehen
hatte. Auf das Interview bin ich bestens vorbereitet. Ich kann mir also ruhigen Gewissens einen Pulver-Cappuccino mixen, ein paar Würstchen aus dem Glas futtern und dazu eine der Zeitschriften auf dem Boden lesen. Allerdings stehe ich vor dem Problem, dass ich nicht mehr genau weiß, welche ich schon durchgeblättert habe. Cover und Themen wirken bei allen Exemplaren sehr ähnlich. Ich entscheide mich für ein Heft, auf dessen Titelseite Cate Blanchett zu sehen ist. Mein persönliches Stilvorbild. Ein gutes Zeichen. Aber ich habe sie wohl doch schon durchgearbeitet, ein paar Knicke markieren die wichtigen Informationen, auf die ich dabei gestoßen bin. Beispielsweise wie die Haut immer jung bleibt. Ich bin mir aber nicht sicher, ob die Herausgeber einen nicht komplett verarschen, weil eigentlich nur Produkte empfohlen werden, deren Hersteller spätestens auf der nächsten Seite ganzseitige Anzeigen geschaltet haben. Das riecht doch verdächtig danach, dass die viel versprechenden Empfehlungen alle gekauft sind. Und einige von den besonders teuren Produkten haben in seriösen, unabhängigen Tests wirklich übel abgeschnitten, das habe ich im Internet herausgefunden. Das Wissen um diesen Betrug tröstet mich ein wenig darüber hinweg, dass ich mir keine Luxuscremes für 100 Euro leisten kann. Die Frauen, die darauf hereinfallen, sehen später alle schön alt aus. Ach, ich bleibe einfach entspannt auf dem Sofa liegen und übe zum Soundtrack der neuen Verfilmung von Jane Austens »Stolz und Vorurteil« das Buddha-Lächeln. Sanfte Klavierklänge lullen mich ein, und nach und nach empfinde ich so etwas wie selbstgenügsame Zufriedenheit. Ich döse sicher gleich weg.

    Früh am Morgen weckt mich ein penetrantes Klingeln an der Haustür. Ich habe in meiner Zen-mäßigen Stimmung glatt vergessen, dass meine Mutter anreisen wollte. Sie will mich »endlich mal wieder in vernünftigen Klamotten« sehen und durch alle Geschäfte Hamburgs schleifen. Keine schlechte Idee, finde ich, wenn ich an den ganzen eBay-Kram in meinem Kleiderschrank denke. Vielleicht lässt sich noch etwas Schönes abstauben. Oder ist es peinlich, sich mit über dreißig Jahren noch gelegentlich von der Mutter etwas schenken zu lassen? Ach nein, schließlich sind doch die Dreißigjährigen von heute die Achtzehnjährigen von damals: planlos, noch nicht verheiratet oder geschwängert, noch kein Eigenheim in Sicht, noch nicht im Beruf etabliert. Und ein bisschen was Nettes kann meine Mutter ruhig mal für ihr Kind tun. Ich tapse in Richtung Tür.
    Â»Ich komme runter«, sage ich in die Gegensprechanlage. Ich kann sie keinesfalls in mein Chaos vordringen lassen. Ihre Kommentare wären einfach zu erniedrigend. Wieso müssen wir uns eigentlich von Müttern die dreistesten Beschimpfungen anhören, und nehmen andersherum immer Rücksicht auf ihre Gefühle? Wir monieren ja nicht mal, dass ihre Ehen fast wegen böser Engel in die Brüche gehen.
    Vermutlich muss das so sein. Wir wissen ja im Grunde, dass Eltern ihre Kinder immer viel mehr und viel selbstverständlicher lieben, als es ihre Kinder erwidern können. Deswegen haben wir immer ein schlechtes Gewissen. Und das wissen und nutzen sie auch, überlege ich mir, während ich im Badezimmer eine Blitzdusche hinlege. Statt mich auf viel Kontaktlinsengefummel einzulassen, greife ich
ausnahmsweise zur Brille und streife meine Klamotten von gestern über.
    Â»Da bist du ja endlich. Hier draußen ist es kalt«, sagt sie vorwurfsvoll, als ich unten ankomme.
    Da ist es auch schon gleich wieder: das schlechte Gewissen. Und genauso schnell wie es gekommen ist, wird dieses Gefühl von

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