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Eigentlich bin ich eine Traumfrau

Eigentlich bin ich eine Traumfrau

Titel: Eigentlich bin ich eine Traumfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Seidel
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so
weit. Die Friseurin hantiert so schnell mit Föhn und Rundbürste, dass ich gar nicht mitbekomme, was gerade auf meinem Kopf passiert.
    Â»So, das war fürs Volumen.«
    Dann holt sie etwas hervor, das aussieht wie eine pinkfarbene Grillzange. Ich vermutete, das ist das Glätteisen.
    Als sie fertig ist, beugt sie sich über meine Schulter, und wir blicken stolz in den Spiegel. Es ist unfassbar. Ich habe volles, glattes Haar, das fast bis auf die Schulter fällt. Ich kann gar nicht aufhören, mich anzugucken und mir in die fülligen Haare zu fassen. Sie sichert derweil das Kunstwerk gelassen mit etwas Haarspray, dann legt sie mir die Rechnung vor. Den Spaß gibt es eigentlich zum gewohnten Preis – wenn man noch eine klitzekleine, unbedeutende Null hinten dranhängt.
    Ich schlucke. »Und was würde so ein Glätteisen kosten?«, frage ich kleinlaut.
    Â»Zweihundert Euro«, entgegnet sie, ohne mit der Wimper zu zucken.
    Mir wird schwindlig.
    Â»Aber acht Euro davon gehen an die Brustkrebshilfe.«
    Ich lächele sie verlegen an, verspreche, über diese Investition nachzudenken und verschwinde, so schnell ich kann.

    W ährend der Autofahrt drehe ich den Rückspiegel so hin, dass ich immer wieder auf mein Haar gucken kann. Das ist vielleicht gefährlich, aber ich fühle mich unbesiegbar. Ich lege die Aretha-Franklin-CD ein, die ich ins Auto verbannt
habe, um blöden Sprüchen meiner weniger 70er-Jahre-affinen Freunde zu entgehen. Mir ist egal, wie abgedroschen das wirken mag, ich singe einfach nur »Ooo. What you want. Ooo … Baby I got. Ooo. What you need … R.E.S.P.E.C.T.«
    Die gute Stimmung hält an, bis ich die noble Gegend an der Alster erreiche, wo mich eine schmucke, eierschalenfarbene Jugendstilvilla mit grüner Wiese und Rhododendren davor erwartet. Durchatmen. Noch ein schneller Blick auf die Frisur und die innere Lebenslandkarte: Mit einem geheimnisvoll-lasziven Lächeln binde ich im seidenen Morgenmantel Trockenblumensträuße, während ich so tue, als ob ich nicht bemerke, dass Rafael den Blick nicht von mir wenden kann.
    Und noch einmal tief durchatmen, durch die Nase ein, durch die leicht geöffneten Lippen aus. Da ist es, das Lächeln des Buddhas. Ich stolziere auf das Haus zu, ziehe den Bauch ein, strecke den Brustkorb raus – nur falls er mich vom Fenster aus beobachten sollte –, dann klingele ich.
    Als er die Tür öffnet, bin ich so aufgeregt, dass ich ihm gar nicht richtig ins Gesicht sehen kann. Ich versuche mich auf seine Augen zu konzentrieren. Die sind gar nicht grün, eher wässrig blau, korrigiere: ozeanisch blau. Er kneift sie ein wenig zusammen, während er mich von oben bis unten mustert, als wäre er kurzsichtig und zu eitel eine Brille zu tragen. Ein bisschen zu gleichmütig für einen Mann, der in diesem Moment eigentlich die Frau erkennen sollte, auf die er immer gewartet hat.
    Â»Hallo, ich bin Juli Sommer«, sage ich überflüssigerweise und ergreife seine ausgestreckte Hand. Meine eigene zittert ein wenig. Aber vielleicht bemerkt er das ja gar nicht.

    Er grinst. »Ich muss mich ja wohl nicht vorstellen.«
    Meine Wangen glühen, vermutlich sind sie auch knallrot, so dass ich wahrscheinlich ziemlich dämlich aussehe.
    Â»Puh, ist das warm heute«, seufze ich und fahre mir mit der Hand über meine schwitzende Stirn.
    Er zieht seine Augenbrauen hoch und betrachtet zweifelnd die dunklen Wolken über uns.
    Â»Kommen Sie doch erst einmal rein.«

    I ch folge ihm in sein Wohnzimmer mit den grün gestrichenen Wänden, atme mehrmals tief durch und lasse mich in einem der Sessel nieder. Schweigend und umständlich krame ich meinen Notizblock und einen Kugelschreiber aus der Handtasche, um noch etwas Zeit zu gewinnen. Dann lege ich meine Beine übereinander. Natürlich achte ich darauf, dass ich das obere Bein nicht ganz ablege. Die Schenkel sollen schließlich nicht platt gedrückt wirken. Nun bin ich gewappnet und kann meinen Blick auf ihn richten.
    Er sieht gut aus.
    Die hellen Augen werden gelungen von einem intellektuellen, schwarzen Rollkragenpullover betont, der in einer sehr gut sitzenden, dunkelblauen Jeans steckt. Boot-Cut. Der Mann weiß einfach, wie es geht.
    Â»Woher nehmen Sie Ihre Inspirationen, Herr Bleibtreu?« Die Frage kann nicht verkehrt sein, so etwas will man von einem Schriftsteller doch immer

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