Eigentlich bin ich eine Traumfrau
richtigen Stellen zu lachen. AuÃerdem ist es ja allgemein bekannt, dass Männer einen für eine besonders geistreiche Gesprächspartnerin halten, wenn man gar nichts sagt, sondern gebannt zuhört. Weil ja jeder doch sich selbst am spannendsten findet und deshalb jeden mag, der diese Einstellung teilt.
An diesem Abend funktioniert einfach alles. Mir wird sogar in der Herzgegend ganz warm, dabei liegt seine Hand doch nur ganz leicht auf meinem Knie, als er sagt: »Du bist eine sehr charmante Frau.«
Charmante Frau! Kein ungeschicktes, spätes Mädchen, das schneller plappert als es denkt. Endlich bin ich angekommen. Bei dem Mann, an dessen Seite ich die rothaarige, aber nichtsdestotrotz umworbene Ausgabe von Cate Blanchett sein werde. Ich sehe mich und mein Mona-Lisa-Lächeln vor mir an seiner Seite auf Empfängen und bei Lesungen. Ich werde die geistreiche Gastgeberin in seiner Jugendstilvilla sein, die mühelos ein Fünf-Gänge-Menü hinzaubert, dabei blendend aussieht und alle Gäste um den Finger wickelt. Er wird dankbar und voller Besitzerstolz seinen Arm um meine Hüfte legen und seinen Freunden erzählen, dass er endlich die perfekte Muse gefunden habe. Ich werde so viel Lob mit einer lässigen Handbewegung und einem charmanten Lächeln abtun. »Was er immer redet.«
Und wenn wir nicht gemeinsam schreiben, könnte ich ihn vielleicht managen. Hatte nicht jeder groÃe Geist eine Frau, die ihm ein Heim schuf und den Rücken freihielt?
Nun, das geht vielleicht ein bisschen zu weit. Toni würde mich für diesen unfeministischen Gedankengang erdolchen. Es ist natürlich viel schlauer, wenn ich ein paar Geheimnisse für mich bewahre. Denn dummerweise haben diese groÃen Männer meistens eine schöne, junge Geliebte, die sie von der langweiligen, rückenfreigehaltenen Problemlosigkeit in den heimischen Gefilden ablenkt. Sofort bemächtigen sich schlimme Tagträume meiner Gehirnwindungen: Ich warte mit meinem perfekten Fünf-Gänge-Menü und im
kleinen Schwarzen verzweifelt auf ihn, während irgendwo in einer verschrammelten Bude eine lüsterne Blondine auf ihm kniet. Sie trägt ebenfalls Schwarz â aber nur von den Oberschenkeln abwärts, weil er ihr alles auÃer den scharfen halterlosen Strümpfen und den Mörder-High-Heels längst vom Leib gerissen hat. Mir wird schwindlig. Nein, ich muss dafür sorgen, dass ich die heiÃe Geliebte bleibe! Also werde ich nicht Managerin. Das werde ich lieber einer Matrone im grauen Stehkragenkostüm überlassen.
»Bist du müde, Juli? Soll ich uns ein Taxi zu mir nach Hause bestellen?«, haucht er.
Jedes Mal, wenn er meinen Namen sagt, macht mein Herz einen Hüpfer. Aber wieso eigentlich »Taxi zu mir«? Das bringt mich in echte Bedrängnis. Ich habe mir eigentlich die Annäherung etwas langsamer vorgestellt. Er soll mich und mein Kleid doch bei der Lesung wiedererkennen und nicht schon vorher die Brüste darunter begrabscht haben. Gleichzeitig will ich nichts anderes, als mich in seine Arme werfen, mich ihm willenlos hingeben und grenzenlose Leidenschaft erleben. Was würde Cate tun? Was würde Toni empfehlen? Und: Wenn uns schon Alkohol während der Arbeitszeit verboten ist, was ist dann erst mit Sex? Andererseits wird der zumindest nicht schon per Vertrag ausgeschlossen. Genaugenommen werden horizontale Akte jedweder Art gar nicht darin erwähnt. Komisch eigentlich, wo sich doch heutzutage statistisch betrachtet sowieso alle über die Arbeit kennenlernen, folglich nirgendwo so viel gefummelt wird wie in Fahrstühlen und Kopierräumen. Ich beschlieÃe, dass Toni es spieÃig finden würde, Regeln zu folgen, die vorschreiben, wann man wie und wo das erste Mal verkehren
solle. AuÃerdem ist das hier Schicksal. Ich sehe ihm also so tief in die Augen, wie es mein vom Alkohol schon etwas verschwommener Blick nur zulässt. Hicks. Betont langsam und â wie ich finde â sehr verführerisch sage ich: »Das halte ich für eine sehr gute Idee.«
Ich bin eine souveräne Frau, kein verunsichertes Mädchen. Ich kann spielend auf solche Angebote eingehen, ohne mein Gesicht zu verlieren.
I m Taxi setzt er sich neben mich auf den Rücksitz. Und obwohl es mich eigentlich freut, dass er die Finger nicht von meinen Schenkeln lassen kann, ist es mir doch vor dem Fahrer ein wenig peinlich. AuÃerdem finde ich, dass er
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