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Eigentlich bin ich eine Traumfrau

Eigentlich bin ich eine Traumfrau

Titel: Eigentlich bin ich eine Traumfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Seidel
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sie ihre Frau nicht mehr lieben.«
    Ach, Toni ist eine wirklich starke Frau. Ihr wäre niemals so etwas Dummes wie mir passiert. Da fange ich wieder hemmungslos an zu schluchzen. »Hättest du dann … huh … vielleiiiiicht … Lust vorbeizukommen?«

    Â»Was ist denn passiert?«, fragt sie entsetzt.
    Â»Zu … huä … fürchterlich«, stammele ich.
    Â»Ich komme«, sagt sie nur und legt auf.
    Natürlich wird sie mir so richtig den Kopf waschen, aber ernsthafte Angelegenheiten sind nun einmal weder mit Peters Philosophie noch mit Tanjas Horoskopen zu lösen. Ich werde all ihre Beschimpfungen über mich ergehen lassen. Und am Ende wird sie hoffentlich auch noch irgendetwas Tröstliches sagen.
    Â»Mann, das hast du ja richtig verbockt. Wie kann man nur so doof sein?«, fragt sie mich.
    Â»Ich weiß«, sage ich kleinlaut und sehe sie durch geschwollene Augen an. Die tun so weh, auch weil noch Kontaktlinsen auf meiner Netzhaut kleben. Ich habe mal die Geschichte einer Frau gelesen, die bei einem Streit mit ihrem Freund so lange heulte, bis die Linsen eine ungute Verbindung mit der Netzhaut eingegangen sind. Dann konnte sie einen Monat nichts mehr sehen. Liebe macht also wirklich blind. Nützte der armen Frau nur nichts, sie trennten sich trotzdem, sobald sie wieder sehen konnte.
    Sofort heule ich wieder los. Vorsichtig legt Toni eine Hand auf meine Schulter. Die zärtliche Geste lässt mich noch lauter plärren. Bekanntlich bleiben Kranke ja länger krank, wenn man sich zu sehr um sie kümmert. Sie genießen es unterbewusst, dass sie sich so richtig fallen lassen dürfen. Ich versuche, mich zusammenzureißen. Ich bin schließlich kein Aufmerksamkeitsschmarotzer.
    Â»Ich bin schrecklich«, sage ich.
    Â»Na ja«, meint Toni, »ein bisschen kann ich dich sogar verstehen. Und er hat Rafael wirklich eine reingehauen?
So einen Gewaltakt hätte ich ihm gar nicht zugetraut«, sie kichert.
    Wütend schaue ich sie an. Ich atme inzwischen angestrengt durch den Mund, weil zäher Trauerschleim meine Nase verstopft, während mein Brustkorb rhythmisch zittert.
    Â»Das ist nicht komisch.«
    Â»Nur ein bisschen«, gibt Toni zu.
    Â»Aber was mache ich denn jetzt. Ich will Alexander nicht verlieren.«
    Toni denkt nach.
    Â»Ich glaube nicht, dass du ihn jetzt zu sehr bedrängen solltest. Lass ihm Zeit, bevor du ihm noch mal in Ruhe alles erklärst. Dann sieht er auch, dass du die Sache ernst nimmst, und über alles nachgedacht hast, um zu einem vernünftigen, reifen Entschluss zu kommen.«
    Das klingt so gut. Ich weiß aber nicht, wie lange ich die Ungewissheit überstehe, ob Alexander jemals wieder mit mir zusammen sein will.
    Â»Mach Urlaub«, empfiehlt Gedankenleserin Toni, »den hast du sowieso mal nötig.«
    Sie hat Recht. Ich habe sicher seit zwei Jahren keinen Urlaub mehr gemacht – aus freiberuflicher Panik, die Aufträge würden alle an andere vergeben, wenn ich mal nicht zur Verfügung stehe. Aber wenn ich jetzt allein in die Sonne flöge, würde die Betonung für mich die ganze Zeit auf »allein« und nicht auf »Sonne« liegen. Wem kann ich es zumuten, mich zu begleiten: Meine Freunde ihren glücklichen Pärchenbeziehungen entreißen? Meine Mutter auf einer Reise dazu benutzen, mich mal wieder über etwas anderes zu ärgern als über mich selbst?

    Apropos: Ich kann ja vorsichtig damit anfangen, für ein paar Tage meine Eltern zu besuchen. Das gibt zwar auch nur Ärger, aber es ist der anheimelnde Ärger, der einem aus unschuldig glücklichen Kindheitstagen vertraut ist.

    W ährend der Bahnfahrt male ich mir Versöhnungsszenen mit Alexander in allen Varianten aus. Positive Imagination. Dummerweise schummeln sich immer wieder Bilder dazwischen, in denen Alexander mich voller Gleichgültigkeit ansieht, wenn er mich zufällig mit einer langbeinigen Schönen an seiner Seite auf der Straße trifft. Ich schlurfe als geduckte alte Jungfer im fliederfarbenen Kostüm an ihnen vorbei, und er verschweigt seiner so bezaubernden wie gesellschaftsfähigen Begleiterin tunlichst, dass er diese elende Kreatur jemals näher gekannt hat. Da habe ich auch schon wieder Tränen in den Augen. Zum Glück sitze ich allein in einem Abteil. Da kann ich die Augen schließen, die salzige Flüssigkeit auf meine Wangen kullern lassen und mich so

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