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Eigentlich bin ich eine Traumfrau

Eigentlich bin ich eine Traumfrau

Titel: Eigentlich bin ich eine Traumfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Seidel
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Hotelhochburg.
    Eine Stunde später sitze ich im Bus nach Chichén Itzá und friere – wegen der übermäßig aufgedrehten Klimaanlage. Aber der Ausblick ist fantastisch. Meilenweit fahren wir an keinem einzigen Haus vorbei. Und irgendwie sehen der Himmel und das Grün näher am Äquator wirklich
ganz anders aus als in unseren Breiten: wilder, dichter und intensiver. Über den winzigen Fernseher wird das neueste Musikvideo eines offenbar sehr berühmten mexikanischen Schnulzensängers eingespielt. Er heißt Alejandro Fernandez und wirkt eigentlich ganz attraktiv, wenngleich er ein bisschen am Haargel hätte sparen können. Überhaupt: Im Supermarkt habe ich gesehen, dass die Pomade hier in riesigen Kanistern verkauft wird. Muss wohl zum täglichen Pflichtprogramm des mexikanischen Mannes gehören. Macht nichts, ich schließe einfach die Augen und lasse mich in den ehrlichen Schwulst der Musik, in Geigen und Trompeten fallen – und denke immer noch an Alexander. Ich muss mir unbedingt etwas einfallen lassen. Dummerweise fehlt mir aber jede gute Idee. Klar, in meinen Tagträumen, da ist es einfach. Da treffen wir uns einfach mitten auf einer menschenleeren Straße und nach ein paar zögerlichen Schritten rasen wir aufeinander zu. Dann umschlingen wir uns ganz fest und beteuern, dass wir ohne einander nicht leben können.
    Im echten Leben werde ich leider eine echt gute Erklärung für mein echt doofes Verhalten brauchen. Ich hätte ihn aber gerne zurückerobert, ohne ihm zu gestehen, dass ich ein bedürftiges kleines Mädchen bin, das unbedingt ihre durch Rafael verletzte Eitelkeit wiederherstellen wollte. Würde ihm das nicht jede Illusion von einer starken Frau, die mitten im Leben steht, rauben?
    Egal, erst mal zu den Pyramiden.

    W ow! Es ist unglaublich. Mitten auf einer riesigen Lichtung umgeben von einer dichten Dschungellandschaft stehen die riesigen, steinernen Pyramiden. An allen Ecken schüchtern einen die böse dreinblickenden Statuen monströser Gottheiten ein.
    Unser Führer, der uns am Eingang zur Tempelstadt in Empfang nimmt, ist dafür sehr süß und charmant. Ich schätze ihn auf Mitte zwanzig. Er heißt Juan. Wie sonst. Normalerweise döse ich bei Führungen immer weg, aber es macht richtig Spaß, ihm und seinen Geschichten von der Hauptstadt des Maya-Reiches zuzuhören. Am Ende lässt er uns zwei Stunden Zeit, auf eigene Faust das Gelände und Tempel nach Wahl zu erkunden. An die 365 Stufen der total wichtigen Pyramide des Kukulcán schrecken mich allerdings ab – da hilft auch all ihre Symbolik – von wegen Anzahl der Tage des Jahres und so weiter – nicht. Aber falls es mit Alexander und mir wie durch ein Wunder doch noch funktionieren sollte, würde ich den Tempel gerne noch einmal mit ihm gemeinsam erkunden. Am besten zur Tagundnachtgleiche zum »Schauspiel der gefiederten Schlange«, von dem Juan erzählt hat. Da werfen die gestuften Pyramidenkanten einen Schatten auf eine der Treppen. Und zwar so, dass es aussieht, als würde sich da eine Schlange herunterwinden.
    Apropos Schlange, ich bin inzwischen ziemlich nahe am Waldrand angekommen. Es wäre so verlockend, mal einen Blick in das Dickicht der Lianen zu werfen, aber was, wenn mich schwarz-rot geringelte Giftschlangen angreifen? Würde jemand mein Fehlen bemerken? Oder würde die Gruppe
ohne mich wieder fahren, während ich einen ganz langsamen, schmerzhaften Tod sterbe? Und vor allem: Würde Alexander wohl um mich trauern?
    Oh, diese Blüten. Ich knie mich vorsichtig hin – nachdem ich mich davon überzeugt habe, dass keine wilden Tiere in der Nähe sind –, um mir ein pinkes Blatt näher anzusehen. Eine kleine lilane Blüte sitzt darauf. Eigentlich ist das Blatt eine Ähre, stelle ich fest, geformt aus unzähligen, winzigen Blütenblättern.
    Plötzlich steht Juan hinter mir. »Schön, nicht?«, fragt er auf Englisch.
    Ich nicke.
    Â»Sie blüht aber nur einen einzigen Tag, dann verwelkt sie.«
    Bedrückt sehe ich zu ihm hoch. »Und woher weißt du das?«
    Es stellt sich heraus, dass er eigentlich an der Universität Mérida Biologie studiert und hier nur nebenher ein wenig Geld verdient. Er fordert mich auf, ihm auf einen kleinen Pfad in das dichte Gewuchere zu folgen. Er wirkt so vertrauenerweckend, er will dort sicher nicht über mich

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