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Eigentlich bin ich eine Traumfrau

Eigentlich bin ich eine Traumfrau

Titel: Eigentlich bin ich eine Traumfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Seidel
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kurz darauf mexikanischer Hardrock losdröhnt. Ich wusste ja nicht mal, dass es den überhaupt gibt. Ich bin schlecht vorbereitet – in jeder Hinsicht. Ich habe zu viel in meinem politisch ziemlich korrekten Reiseführer gelesen: Keine Schimpfwörter, nicht über Sex reden, und niemals »Chinga tu madre« sagen. Letzteres ist offenbar eine Aufforderung, Beischlaf mit der eigenen Mutter zu praktizieren und deshalb ziemlich tabu, weil die Mutter doch total respektiert wird, bestimmt auch wegen der Jungfrau Maria und so. Dafür fällt der Satz aber erstaunlich oft. Er kommt auch in jedem zweiten Liedtext vor. Da entspanne ich mich doch einfach mal, passe mich den Gepflogenheiten an, lerne jede Menge spanische Flüche und sieben böse Wörter für »schwul«. Meine schnelle Auffassungsgabe, was überflüssige Vokabeln betrifft, scheint meine Popularität enorm zu steigern. Der Kulturschock ist überwunden. Der reinste Schulausflug ist das hier. Alles ist gut. Und egal was das Leben noch bringt, es wird immer wunderbare Momente wie diesen geben, in denen ich zu betrunken bin, um mich zu grämen.
    Leider höre ich nicht rechtzeitig auf und trinke das entscheidende Glas zu viel. Die Stimmung kippt. Eine Träne läuft mir die Wange hinunter, stellvertretend für all den Kummer, den ich in den letzten Tagen erfolgreich unterdrückt habe. Hastig wische ich sie weg und setze wieder
ein Lächeln auf. So weit kommt es noch, dass ich jungen Studenten die Party vermiese. Aber Juan hat die Träne gesehen. Auf Nachfrage erzähle ich dem armen Kerl die ganze peinliche Geschichte, so weit es meine Vokabelkenntnisse zulassen. Nachdenklich füllt er sich einen Tequila nach. Ich folgte seinem Beispiel vorsichtshalber nicht.
    Juan nimmt einen Schluck und entwickelt einen Plan, den ich unter normalen Umständen als total bescheuert abgetan hätte. Aber ich bin so weit weg von meinem echten Leben, und dieser unerwartete Abend fühlt sich so magisch von Zeit und Raum befreit an, dass mir nichts mehr unmöglich scheint. Warum sollte es nicht Schicksal gewesen sein, diesem jungen, schönen Götterboten zu begegnen, auf dass er mir den entscheidenden Hinweis gäbe? »Schreib einen Roman. Schreib das alles auf.«
    Er meint, ich solle so eine Art Schlüsselroman schreiben, in dem ich ganz ehrlich alle meine Gedanken und meine Gefühle darlege. Schließlich sei Alexander Verleger, und Romane seien somit die Form, die er verstehe.
    Â»Aber ich will gar nicht, dass er alles weiß, was in mir vorgeht«, sage ich kleinlaut.
    Selbst wenn, befindet Juan, die Hälfte von allem, was man in Tagebüchern und Autobiographien liest, sei doch auch erstunken und erlogen – mit dem Ziel, das Bild, das sich die Außenwelt macht, zu manipulieren. Letztendlich müsse ich doch nur zwei wahre Fakten glaubwürdig unterbringen: »Du liebst Alexander, und du hast ihn nicht mit Rafael betrogen.«
    Was für eine Schnapsidee, denke ich zuerst und trinke doch noch einen. Außerdem wäre das so viel Arbeit, dass ich
damit sehr eindeutig meine Verzweiflung verraten würde. Was, wenn er gar nichts mehr von mir will und sich dann bedrängt, wenn nicht sogar gestalkt fühlt, wenn ich solche Machwerke an seinen Verlag schicke?
    Â»Liebe bedeutet immer Gefahr«, sagt Juan achselzuckend und legt seinen Arm um Ruben.
    Â»Wieso, benutzt ihr etwa keine Kondome?«, lalle ich verwirrt. Beide verdrehen lachend die Augen.

    I rgendwann wache ich völlig verkatert auf einem Sofa in einem verqualmten Zimmer wieder auf und spüre eine unbändige Gier nach einer Cola und einer Kippe. Ich bin im Laufe des Abends rückfällig geworden und habe eine geraucht. Jetzt muss ich auch noch mit dem altvertrauten Schmachtgefühl kämpfen. Als ich in der Küche Juan in die Arme laufe, bitte ich ihn, mich am Nachmittag wieder bei der Tempelanlage abzusetzen. Aber er besteht darauf, mich ganz bis nach Cancún zu fahren. Er hat an diesem Tag frei. Vier Stunden Fahrt liegen vor uns. Wir sind zu müde, um viel zu reden. Ich finde im Handschuhfach eine Alejandro-Fernandez-CD. Also doch. Ich grinse ihn von der Seite an und lege die CD ein. Verlegen lächelt er zurück und schaut wieder nach vorne. Vielleicht sollte ich einfach hierbleiben und noch einmal von vorne beginnen. Aber wovon würde ich leben? Cola-Dosen kauft man in Yucatàn sicher lieber

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