Eighteen Moons - Eine grenzenlose Liebe (German Edition)
Unterricht. Und, ja, du musst sie mitnehmen. Das solltest du eigentlich wissen.«
Ridley zupfte ihr T-Shirt zurecht, damit sie noch etwas mehr Schulter zeigen konnte. »Bei meinem letzten Gastspiel in der Schule war ich noch eine Sirene. Und ich war eigentlich nie im Unterricht und ganz bestimmt hab ich nichts mit mir herumgeschleppt.«
Link legte ihr die Hand auf die Schulter. »Komm schon. Wir haben jetzt zusammen Einführungsstunde. Ich zeig dir, wie’s geht, und zwar auf Link-Style.«
»Ach ja?«, fragte Ridley skeptisch. »Und was ist das Besondere daran?«
»Tja, es fängt schon mal damit an, dass man bei mir keine Bücher braucht …« Link war ganz versessen darauf, mit ihr zusammen in den Unterricht zu gehen. Er wollte sie keine Sekunde aus den Augen lassen.
»Ridley, warte! Das brauchst du noch.« Lena winkte mit einer Mappe. Ridley achtete nicht auf sie, sondern hakte sich bei Link unter. »Entspann dich, Cousinchen, ich nehme die von Dinkyboy.«
Ich schlug die Spindtür zu. »Deine Großmutter ist eine Optimistin.«
»Meinst du?«
Wie alle anderen auch sah ich Link und Ridley nach, wie sie den Gang entlanggingen. »Ich gebe diesem kleinen Experiment allerhöchstens drei Tage.«
»Drei Tage? Dann bist du der Optimist.« Lena seufzte und wir gingen die Treppe hinauf zum Englischunterricht.
Die Klimaanlage lief auf Hochtouren, ihr klägliches, metallisches Summen hallte durch die Gänge. Aber die uralte Anlage hatte keine Chance gegen diese Hitzewelle. Im Obergeschoss war es sogar noch heißer als draußen auf dem Parkplatz.
Als wir den Unterrichtsraum betraten, blieb ich einen Moment lang unter der Neonröhre stehen, die Lena zur Explosion gebracht hatte, als wir bei unserer ersten Begegnung zusammengestoßen waren. Ich starrte die Quadrate der Deckenverkleidung an.
Hey, wenn man genau hinschaut, dann sieht man noch die Brandflecken rings um die neue Lampe .
Wie romantisch. Der Schauplatz unserer ersten Katastrophe . Lena folgte meinem Blick zur Decke. Ja, ich sehe sie auch .
Ich ließ meinen Blick über die Vierecke mit den gestanzten Löchern schweifen. Wie oft war ich in diesem Klassenzimmer gesessen und hatte zu den Löchern hinaufgestarrt, um nicht einzuschlafen, oder hatte sie gezählt, damit die Zeit schneller verging. Wie oft hatte ich die Minuten bis zum Ende der Schulstunde, die Schulstunden bis zum Ende des Tages gezählt – Tage und Wochen, Wochen und Monate, bis ich endlich aus Gatlin abhauen konnte.
Lena ging an Mrs English vorbei, die fast ganz hinter einem Stapel Unterlagen auf ihrem Pult verschwand, und setzte sich an ihren Platz auf die berüchtigte Seite, auf der Mrs English, die ein Glasauge hatte, gut sah.
Ich wollte ihr schon nachgehen, als ich plötzlich etwas hinter mir wahrnahm. Es war dasselbe Gefühl, das man hat, wenn man in einer Schlange steht und die nachfolgende Person einem viel zu dicht auf den Leib rückt. Ich drehte mich um, aber da war niemand.
Als ich mich an den Tisch neben Lena setzte, schrieb sie bereits in ihr Notizbuch. Ob sie wohl wieder eines ihrer Gedichte aufschrieb? Ich wollte gerade einen verstohlenen Blick wagen, als ich es hörte. Die Stimme war schwach und es war nicht Lenas Stimme. Es war ein leises Flüstern, das von irgendwo hinter mir kam.
Ich drehte mich um. Der Platz hinter mir war leer.
Hast du etwas gesagt, L?
Lena blickte überrascht von ihrem Notizbuch auf.
Wie bitte?
Hast du etwas in Kelting zu mir gesagt? Ich dachte, ich hätte etwas gehört .
Sie schüttelte den Kopf.
Nein. Alles in Ordnung mit dir?
Ich nickte und schlug meinen Schulblock auf. Und da war sie wieder, die Stimme. Diesmal verstand ich, was sie sagte. Die Worte erschienen auf dem Blatt, geschrieben in meiner Handschrift.
Ich warte.
Ich schlug den Block zu und ballte die Fäuste, damit meine Hände nicht zitterten.
Lena sah mich an.
Ist wirklich alles okay?
Ja, mir geht’s gut .
Bis zum Ende der Stunde saß ich da und schaute nicht hoch. Nicht beim Lektüre-Quiz, als ich über The Crucible ausgefragt wurde und nichts wusste. Auch nicht, als Lena sich mit unbewegtem Gesicht an der Diskussion über die Hexenprozesse von Salem beteiligte, die dem Drama von Arthur Miller zugrunde lagen, und nicht einmal, als Emily Asher einen selten dämlichen Vergleich zwischen dem »armen, aber leider von uns gegangenen« Macon Ravenwood und den verblendeten Städtern in dem Theaterstück zog und sich plötzlich ein Quadrat aus der Deckenverkleidung löste und ihr
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