Eighteen Moons - Eine grenzenlose Liebe (German Edition)
ganze Nacht über?« Ich hatte ihn das noch nie zuvor gefragt.
Link zuckte mit den Achseln. »Comics lesen, Filme auf meinem Computer anschauen, in Savannahs Zimmer rumhängen. Heute Abend hab ich allerdings meine Mutter belauscht, wie sie die ganze Nacht mit dem Reverend und Mrs Snow telefoniert hat.«
»Regt sich deine Mutter wirklich so auf wegen der Sache mit Savannah?«
Link schüttelte den Kopf. »Nein, wegen der Sache mit dem See, der langsam austrocknet. Sie hat geweint und gebetet und fast die Telefonleitung zum Glühen gebracht, weil sie jedem sagen wollte, dass es eine der Sieben Plagen ist. Wahrscheinlich scheucht sie mich morgen rund um die Uhr in die Kirche.«
Ich musste an meinen Traum denken und an den Fluss aus Blut. »Was meinst du damit, der See trocknet aus?«
»Dean Wilks ist gestern Nachmittag zum Angeln rausgefahren und da war der Lake Moultrie trocken. Er hat wie ein Krater ausgesehen und Wilks ist sogar bis zur Mitte gelaufen.«
Ich griff nach meinem T-Shirt. »Seen trocknen nicht einfach aus.« Es wurde immer schlimmer – erst die Hitze und das Ungeziefer, dann spielte die Caster-Magie verrückt. Und jetzt das. Was würde als Nächstes kommen?
»Ich weiß, Mann. Aber ich kann doch meiner Mutter nicht erzählen, dass deine Freundin das Universum ruiniert hat.« Er nahm eine leere Flasche von meinem Schreibtisch, in der zuckerfreier Tee gewesen war. »Seit wann trinkst du Tee? Und wo hast du den zuckerfreien her?«
Die Frage war berechtigt. Seit der sechsten Klasse hatte ich in etwa mein eigenes Lebendgewicht in Schokomilch getrunken. Aber seit einigen Monaten schmeckte alles plötzlich viel zu süß und ich brachte fast keinen Schluck Schokomilch mehr runter. »Im Stop & Steal bestellen sie den immer für Mrs Honeycutt, weil sie Diabetes hat. Ich mag einfach nichts mehr, was pappsüß ist. Irgendwas ist mit meinen Geschmacksnerven.«
»Vielleicht hast du recht. Zuerst isst du Sloppy Joes in der Schule und jetzt trinkst du Tee. Was ist dagegen schon ein See, der austrocknet?«
»Das ist kein …«
Lucille sprang vom Bett und Link drehte sich mit dem Stuhl zur Tür. »Psst. Da ist jemand.«
Ich lauschte, aber ich hörte nichts. »Wahrscheinlich mein Vater. Er hat ein neues Projekt.«
Link schüttelte den Kopf. »Nein. Es kommt von unten. Amma ist wach.« Teil-Inkubus hin oder her, sein Gehör war jedenfalls beeindruckend.
»Ist sie in der Küche?«
Link machte mir ein Zeichen, still zu sein. »Ja. Da klappert irgendwas.« Er schwieg einige Augenblicke lang. »Jetzt ist sie an der Hintertür. Ich kann das Scharnier der Fliegengittertür quietschen hören.« Welches quietschende Scharnier?
Ich rubbelte das restliche Blut von meinem Arm und kletterte aus dem Bett. Als Amma das letzte Mal mitten in der Nacht aus dem Haus gegangen war, hatte sie sich mit Macon getroffen, um mit ihm über Lena und mich zu reden. Hatte sie das auch diesmal wieder vor?
»Ich muss wissen, wohin sie geht.« Ich zog meine Jeans an und schnappte mir die Sneakers. Dann ging ich hinter Link die Treppe hinunter und trat dabei so ziemlich auf jedes quietschende Brett, während Link nicht das leiseste Geräusch machte.
In der Küche brannte kein Licht, aber im Mondlicht sah ich Amma an der Bordsteinkante stehen. Sie trug ihr blassgelbes Kostüm, das sie sonst für den Kirchgang reserviert hatte, und dazu ihre weißen Handschuhe. Sie war ganz eindeutig auf dem Weg in den Sumpf. Genau wie in meinem Traum.
»Sie geht zum Waders Creek.« Ich suchte in der Schale auf der Anrichte nach den Schlüsseln für den Volvo. »Wir müssen hinterher.«
»Dann lass uns die Schrottkiste nehmen.«
»Wir müssen ohne Licht fahren. Das ist schwieriger, als du denkst.«
»Mann, ich brauch kein Licht, ich hab den Röntgenblick. Also los.«
Ich wusste, dass ein ganz bestimmter Studebaker aus den Fünfzigern gleich am Bordstein halten würde. Und tatsächlich, fünf Minuten später kam der verbeulte Lieferwagen von Carlton Eaton die Cotton Bend entlanggefahren.
»Was hat denn Mr Eaton mit Amma zu tun?« Link ließ seine alte Karre im Leerlauf anrollen, ehe er die Zündung einschaltete.
»Er fährt sie manchmal mitten in der Nacht zum Waders Creek. Mehr weiß ich auch nicht. Vielleicht backt sie ihm dafür eine Pastete oder so was.«
»Das ist übrigens das Einzige, was mir fehlt, seit ich nichts mehr esse: Ammas Pasteten.«
Link hatte nicht übertrieben, als er behauptet hatte, auf Licht verzichten zu können. Er ließ ein
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