Eighteen Moons - Eine grenzenlose Liebe (German Edition)
Aber das hier hatte mit Natur nichts zu tun. Das hatten übernatürliche Kräfte angerichtet – Vexe.
Ich spürte sie förmlich, spürte ihren Drang nach Zerstörung, empfand ihn wie eine zentnerschwere Last. Sie waren hier gewesen, in dieser Straße. Sie hatten das angerichtet und sie hatten es wegen mir getan.
Wegen John Breed.
Amma wollte, dass Link in den Cypress Grove einbog, aber die Straße war unbefahrbar, deshalb musste er über die Main Street ausweichen. Keine einzige Straßenlaterne brannte mehr und das Tageslicht brach sich erst langsam Bahn und verwandelte das Schwarz der Nacht in alle Nuancen von Blau. Einen Moment lang hoffte ich, die Main Street könnte Abrahams Vex-Tornado heil überstanden haben, bis ich das General’s Green sah. Jetzt traf nur noch der zweite Teil des Namens zu, denn dort war bloß noch eine Wiese. Die Statue von General Jubal A. Early, der das Schwert kampfbereit in der Hand hielt, thronte nicht mehr stolz in ihrer Mitte.
Er war umgestürzt, der Griff seines Schwerts abgebrochen.
Der schwarze Panzer aus Heuschrecken, der die Statue wochenlang bedeckt hatte, war verschwunden. Sogar sie hatten ihn im Stich gelassen.
So weit ich mich zurückerinnern konnte, war der General immer an Ort und Stelle gewesen und hatte seine Wiese und unsere Stadt bewacht. Er war mehr als nur eine Statue gewesen. Er war ein Teil von Gatlin, untrennbar mit unseren eigenartigen Traditionen verbunden. Am 4. Juli, dem Unabhängigkeitstag, trug er eine amerikanische Fahne auf dem Rücken. An Halloween hatte er einen Hexenhut auf, und an seinem Arm hing ein Plastikkürbis, randvoll mit Süßigkeiten. Und immer wenn die Schlacht von Honey Hill nachgespielt wurde, zog ihm jemand einen echten Gehrock der Konföderierten über seine bronzene Uniform. Der General war einer von uns, von seinem Platz aus wachte er über Gatlin, Generation um Generation.
Ich hatte immer gehofft, dass sich in unserer Stadt etwas verändern würde – bis sich tatsächlich etwas veränderte. Jetzt wünschte ich mir das langweilige Gatlin zurück, das ich schon ein Leben lang kannte. Es sollte wieder so sein, wie es gewesen war, als ich es noch hasste. Wie damals, als ich mich allem Möglichen entgegensehnte und nichts davon eintraf.
Ich wollte das alles nicht erleben.
Ich starrte immer noch durch das Rückfenster auf den gefallenen General, als Link plötzlich abbremste. »Mann, das sieht aus, als wäre hier eine Bombe hochgegangen.«
Die Gehwege vor den Geschäften entlang der Main Street waren mit Glassplittern übersät. Sämtliche Schaufensterscheiben waren geborsten, die Läden waren namenlos und seltsam nackt. Das goldbemalte L und das I aus dem Schaufenster der Boutique Little Miss lagen abseits von den anderen Buchstaben. Grellpinke und rote Kleider waren auf dem Gehweg verstreut, Tausende winziger Pailletten reflektierten funkelnd die verbliebenen Splitter unseres normalen Lebens.
»Das war keine Bombe, Wesley Lincoln.«
»Ma’am?«
Amma starrte auf das, was von der Main Street übrig geblieben war. »Bomben kommen vom Himmel. Das hier kommt aus der Hölle.« Sie sagte kein Wort mehr, als sie zum Ende der Straße zeigte. Fahr weiter, bedeutete die lautlose Aufforderung.
Link fuhr, und keiner von uns fragte, wohin. Wenn Amma es mir bisher nicht gesagt hatte, würde sie es jetzt auch nicht tun. Vielleicht hatte sie ja gar kein besonderes Ziel. Vielleicht wollte sie nur sehen, welche Viertel der Stadt verschont und welche zerstört worden waren.
Dann sah ich die roten und weißen Lichter am Ende der Straße. Riesige Rauchwolken stiegen auf. Hier brannte etwas. Aber es brannte nicht irgendetwas, nein, hier brannten das Herz und die Seele der Stadt, jedenfalls was mich anging.
Es war ein Ort, an dem ich mich immer sicher gefühlt hatte.
Die Bibliothek von Gatlin – die für Marian ihr Leben bedeutete und die alles beherbergte, was meine Mutter hinterlassen hatte – stand in Flammen. Wasser strömte aus den Löschschläuchen, aber sobald sie das Feuer an einer Stelle eingedämmt hatten, entzündete es sich an einer anderen Stelle neu. Reverend Reed, der etwas weiter weg in dieser Straße wohnte, schüttete mit rußverschmiertem Gesicht eimerweise Wasser rund um die Bibliothek aus. Mindestens fünfzehn Mitglieder seiner Gemeinde waren ebenfalls gekommen, um zu helfen – was für eine Ironie, wenn man bedachte, dass sich die meisten von ihnen Mrs Lincoln angeschlossen hatten, die die angeblich unsittlichen
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