Eighteen Moons - Eine grenzenlose Liebe (German Edition)
schrieb, als könnte er nicht anders. Der Stift schien sich nicht zu bewegen, vielleicht schrieben sich die Buchstaben von selbst. Vielleicht war es die Geschichte seines Lebens. Vielleicht war es sein Meisterwerk. Wer weiß? Wen interessierte es? Bobby Murphy jedenfalls nicht.
Ich widerstand dem Drang, das Papier an mich zu nehmen und das Geschriebene zu entziffern.
Motorradunfall?
Wahrscheinlich. Ich will gar nicht darüber nachdenken, L .
Lena drückte meine Hand, und ich verdrängte den Gedanken daran, wie sie barfuß und ohne Helm auf dem Sozius von John Breeds Harley gesessen hatte.
Ich weiß, das war dumm .
Ich zog sie von der Tür weg.
Ein kleines Mädchen hatte das ganze Zimmer voller Besucher, aber es war die traurigste Geburtstagsgesellschaft, die ich jemals gesehen hatte. Auf dem Tisch standen ein Kuchen vom Stop & Steal und Schnabeltassen, gefüllt mit etwas, das aussah wie Preiselbeersaft. Das war alles. Auf dem Kuchen war eine Fünf aus Zuckerguss und die Familie sang halbherzig ein Lied. Die Kerzen waren nicht angezündet.
Wahrscheinlich darf man hier keine Kerzen anzünden, Ethan.
Was ist das für ein beschissener Geburtstag?
Der süßlich-klebrige Geruch wurde immer schlimmer. Ich schaute durch eine offene Tür in einen Raum, in dem sich offenbar die Etagen-Küche befand. Kartons mit Flüssignahrung stapelten sich vom Boden bis zur Decke. Daher kam der Geruch – von einem Essen, das kein Essen war. Für Leben, das kein Leben mehr war.
Für meine Tante Prue, die in das große Unbekannte entschwunden war, als sie eigentlich im Bett liegen und friedlich schlafen sollte. Meine Tante Prue, die eine Karte der unbekannten Caster-Tunnel angefertigt hatte mit der gleichen Präzision, mit der Amma ihre Kreuzworträtsel löste.
Das alles war zu entsetzlich, um wahr zu sein. Und doch war es das. Und es geschah nicht in irgendeinem Tunnel, wo Raum und Zeit anderen Gesetzen unterlagen als in der Welt der Sterblichen. Es geschah im Greater Gatlin County. Es geschah in meiner eigenen Heimatstadt, in meiner eigenen Familie.
Ich wusste nicht, ob ich das aushalten würde. Ich wollte Tante Prue nicht in diesem Zustand sehen. Ich wollte sie so nicht in Erinnerung behalten.
Trostlose Zimmer und eine angebrochene Packung Flüssignahrung in einem kotzpfirsichfarbenen Gang.
Beinahe hätte ich kehrtgemacht, aber dann waren wir am Ende des Gangs angelangt, und plötzlich lag ein anderer Geruch in der Luft. Wir waren da. Ich wusste es, denn durch die einen Spalt weit offene Tür schlug uns der unverkennbare Duft der Schwestern entgegen. Rosenwasser und Lavendel, es roch nach den kleinen Duftkissen, die die Schwestern in ihren Schränken und Schubläden aufbewahrten. Er war unverwechselbar, obwohl er mir nie bewusst aufgefallen war in den vielen Stunden, in denen ich ihren Geschichten zugehört hatte.
»Ethan.« Lena blieb vor mir stehen. Ich hörte das leise Summen von Maschinen im Zimmer hinter ihr.
»Komm.« Ich wollte die Tür ganz öffnen, aber sie legte mir die Hände auf die Schultern.
»Weißt du … vielleicht ist sie gar nicht da.«
Ich lauschte, das Geräusch irgendwelcher Apparate, die irgendwelche Sachen mit meiner lieben alten Tante anstellten, lenkte mich ab.
»Wovon redest du? Natürlich ist sie da. Hier an der Tür steht ihr Name.« Was tatsächlich stimmte. Ein Täfelchen, wie man es auch in College-Schlafräumen findet, war mit verblasstem Filzstift beschriftet: STATHAM, PRUDENCE.
»Ja, ihr Körper liegt da drinnen. Aber selbst wenn deine Tante Prue da ist, mit allem, was deine Tante Prue ausmacht – könnte sie trotzdem nicht da sein.«
Ich wusste, was sie meinte, auch wenn ich es mir nicht eingestehen wollte. Um keinen Preis wollte ich es mir eingestehen.
Ich legte die Hand auf die Türklinke. »Heißt das, du spürst etwas? So wie Link ihr Blut riechen und ihr Herz schlagen hören konnte? Könntest du sie auch … finden?«
»Was meinst du mit finden? Ihre Seele?«
»Können das Naturgeborene?« Sogar ich hörte die fast verzweifelte Hoffnung aus meiner Frage heraus.
»Ich weiß es nicht.« Lena sah aus, als würde sie gleich zu weinen anfangen. »Ich bin mir nicht sicher. Ich habe das Gefühl, dass ich etwas tun sollte. Aber ich weiß nicht, was.«
Sie wandte den Blick ab, aber ich sah die Träne, die ihre Wange hinunterlief.
»Das musst du auch nicht wissen, L. Es ist nicht deine Schuld. Sondern meine. Abraham hat etwas von mir gewollt.«
»Er ist nicht deinetwegen
Weitere Kostenlose Bücher