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Ein abenteuerliches Herz

Ein abenteuerliches Herz

Titel: Ein abenteuerliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Ludwig Arnold
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Dschaudar, der Fischer, dem sein Ring die Herrschaft über dienstbare Genien verlieh, alle diese Abenteurer, Märchenprinzen, Seeräuber und edelmütigen Verbrecher – ich beklage nicht, daß sie dahingegangen sind, aber ich wünschte, daß sie mit jedem neuen Kreis, den das Leben uns öffnet, Nachfolger fänden, auf die die ganze Summe von Liebe und Glauben sich übertragen könnte, die ihnen gewidmet war.
    Aber auch später, als man begann, uns mit Sie anzureden, als die Kraft versuchte, sich ganz frisch und ungeschult nach außen zu wenden – was waren das doch für Kerle, mit denen wir zusammen waren, ein Kerl jeder einzelne! – als wir die Zusammenhänge noch nicht sahen, aber wohl ahnten, wie man eine große Landschaft ahnt, wenn aus flutenden Nebeln die ersten Bergspitzen in die Höhe stoßen mit Zinnen, die in der Morgensonne funkeln, und mit Burgen, die zum Erstürmen geschaffen sind. Ja, da setzten sich die Farben zusammen, ganz frisch von der Palette, zu einem leuchtenden, schöneren Bild. Viel erwartete uns, und jeder hatte Angst, zu spät zu kommen, denn unaufhörlich rief und lockte das Wunderbare, so wie der gedehnte, schrille und kühne Schrei eines Raubvogels sich über der Einsamkeit großer Wälder wiederholt.
    Damals wollten wir nicht mehr Seeräuber, Trapper und Pelzjäger werden, sondern Minister, Generäle, Bankdirektoren, Dichter, Professoren und Handelsherren. Jeder Einzelne wollte aufs Ganze gehen! Ich höre es noch, wie der kleine Seebohm dieses Wort aussprach: »Exportkaufmann«. Da war das Erstaunen noch da, keine Kontore, keine Ziffern, keine Bilanzen, nein, nur das Klatschen der Wellen an den Kielen der Schiffe, Gold, Gewürze und Elfenbein, ferne Küsten mit großen farbigen Blüten und all dem bunten Dunst, der das Wunderbare verhüllt. Das waren ja keine Berufe, sondern echte, wirkliche Ideale, das durchaus Wesentliche und eigentlich Lebenswerte, von dem ein jeder ergriffen war.
    Aber auch später noch! Heidelberger und Jenenser Studenten, Fähnriche mit Gesichtern wie junge Kriegsgötter über dem blutroten Kragen mit der breiten goldenen Kante, andere, die überhaupt nichts taten, um gegen die bürgerliche Ordnung zu protestieren: das waren immer noch Leute, mit denen sich umgehen ließ. Saufen und raufen und hinter den Schürzen herspüren, was schadet denn das? Zum Teufel, der Nächte sind noch nicht genug, in denen wir die Lichter bis zu den Manschetten herunterbrennen ließen. Hatte denn nicht jeder etwas, das sehr ernst genommen wurde – Ehre, Freiheit in allen Schattierungen von 1789 bis 1914, Vaterland, den Sozialismus, die Literatur, die Kunst, die Wissenschaft – sehr ernst genommen nicht aus Einsicht oder Gewohnheit, sondern noch aus dem unmittelbaren Drange des Herzens heraus, das sich an eine Sache zu hängen sucht und nach großen Worten verlangt? Nichts gegen die großen Worte – ich meine, daß es die Begriffe sind, die sich schon zur rechten Zeit einstellen werden. Bewegung muß da sein und Drang nach Bewegung; früh genug fängt das Leben sie ein und leitet sie über seinen Arbeitsgang. Wozu man da ist, das erfährt man vielleicht nie, alle sogenannten Ziele können nur Vorwände der Bestimmung sein; aber daß man da ist, mit Blut, Muskel und Herz, mit Sinnen, Nerven und Gehirn, darauf kommt es an. Immer auf dem Posten sein, immer rüsten, immer bereit sein, dem Ruf zu folgen, der an uns ergeht – und es ist gewiß, daß der Ruf nicht ausbleiben wird.
    Ja, auch bei diesen hatte man noch das Gefühl, daß viele Möglichkeiten ihnen offenstanden und daß mancher Weg von ihrem Standpunkt in die Ferne lief. Hätte man nicht mit ihnen allen, je nach dem Geschmack des Einzelnen, Dinge begehen können, die für den normalen Menschen ganz unsinnig sind, etwa mit Garibaldi, mit Hecker, mit dem Griechenmüller oder mit den Buren zu Felde ziehen? Nicht, daß man Derartiges tut, scheint mir wesentlich, wenn auch wir Deutschen überall unser Kontingent gestellt haben, wo auf der Welt so etwas im Gange war. Aber nur Menschen, die überhaupt dazu imstande sind, die diese Möglichkeit in sich tragen, mit sechzig Jahren ebenso wie mit sechzehn, können unsere Freunde sein. Denn nur von diesem Schlage darf man hoffen, daß er sich an Ideen entflammt und daß er sich erhebt, wenn die Gewalt auch noch so mächtig ist. Und nicht, ob solche Erhebungen glücken oder nicht, ist von Wichtigkeit, sondern daß sie stattgefunden haben. Das leuchtet noch lange zurück.
    Gern denke ich

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