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Ein abenteuerliches Herz

Ein abenteuerliches Herz

Titel: Ein abenteuerliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Ludwig Arnold
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der platten Zweckmäßigkeit und des gemeinen Nutzens drehten – oftmals mit Kerlen, die die Kolportage dürftig genug zusammengeschneidert hatte, aber von denen doch noch zu spüren war, daß der unerschöpfliche Karl Moor Maß und Stoff geliefert hatte.
    Glückliche Zeiten endlich trotz allem, in denen nach der ewig unvergeßlichen Entdeckung des »Robinson Crusoe« und der »Tausendundeinen Nacht«, nach den Cooper, Defoe, Sealsfield, Wörishöffer, Dumas und Sue andere Namen aufzutauchen begannen, wie Sternbilder, die groß und schweigend am unbeschriebenen Gewölbe aufziehen, um für immer ihren Platz zu wahren, durch den Rang, Grad und Richtung aller künftigen Erscheinungen sich bestimmt. War es nicht beim ersten Erlebnis des »Simplizius Simplizissimus« oder des »Don Quijote«, jener beiden von Grund auf kriegerischen Werke, die von alten Soldaten geschrieben wurden und nur von alten Soldaten geschrieben werden konnten, ein wunderbares Gefühl, zu spüren, daß hier noch etwas anderes unter der wilden und bunten Welt des Abenteuers lebendig war – wurde hier nicht eine entscheidende Lehre in der Form eines großen und neuartigen Genusses erteilt? Zur Dankbarkeit den geistigen Vätern gegenüber sind wir schon durch jenes Vergnügen verpflichtet, das wir empfinden, wenn wir so zum ersten Male ahnen, daß hinter dem Stoffe noch ein tieferes und notwendigeres Gesetz regiert. Bücher gibt es, die nur das eine zu wünschen übriglassen: daß wir sie nicht vergessen können – vergessen, um noch einmal in sie eindringen zu dürfen wie in ein zauberhaftes, völlig unerforschtes Land.
    Gern kehrt man immer wieder von den Menschen in den Frieden der Bibliotheken ein. Dort, im »gotischen Gewölb«, wo sich die Bände aus Leder, Leinen und Pergament in strenger Ordnung türmen, faßt uns eine Ahnung an, daß der Grund der Welt ein geistiger ist, und gibt uns höhere Sicherheit. Ein Griff gestattet uns, aus dem unendlichen Register eine Stimme zu ziehen, die zu uns in einer reineren, reicheren und klareren Art spricht, als es dort draußen möglich ist. Wir sind eingeschlossen in die Freundlichkeit der Schenkenden. Wir fühlen voll Vertrauen, daß man uns hier nicht betrügen will um das schönere Bild der Welt, das wir so ängstlich in den Kammern des Herzens verwahren. Man wird nicht lachen über uns, wie man draußen über jeden lacht, der nicht das Gewöhnliche treibt. Wir treten in einen Kreis, der der billigen und plebejischen Überlegenheit der Ironie überlegen ist. Selbst das Häßliche wird bedeutungsvoll, der Widerstand förderlich. Ist es da ein Wunder, daß hinter so manchem die Tür dieser stillen Räume sich schon früh und für immer schloß? Einen Gruß, ihr Brüder, aus der Nacht in das Glück eurer nächtlichen Einsamkeit!
    Aber ach, ich will es mir gestehen, daß ich stets zu den anderen von nicht so ruhiger Natur gehörte, denen es nicht liegt, sich von den Eitelkeiten des Lebens zurückzuziehen, und die, wenn sie eine Zeit gerastet haben, die Angst befällt, daß die Entscheidungen draußen ohne sie geschlagen werden könnten. Das ist die andere Brüderschaft, die es drängt, den Grund der Welt in der Fülle ihrer Dinge leidenschaftlich zu erkennen, und die die Maßstäbe des Herzens am Leben selbst erproben muß. Und der bunte Zug des Lebens zieht gerade an der Stille mit doppelt lachenden Jagdhörnern vorbei, mit heroischen Signalen, die sich wie aus blitzenden und in der Ferne verstreuten Reitergefechten verloren haben, und mit dem kühnen, einsamen Schrei der Raubvögel, der unwiderstehlich das junge Blut in die großen Wälder lockt.
    Ja, wenn eine dieser frühen Stimmungen noch besonders warm in die Erinnerung eingebettet ist, so ist es jene, die sich dem Bussardschrei verknüpft. Es war der Gegensatz des heimlichen Waldes, dessen Laub die Sonnenstrahlen nur wie durch enge Turmfenster auf den Boden splittern ließ, und der Stimme eines stolzen, unsichtbaren Wesens, das sich weit über den Frieden der Geniste erhoben hatte, geheimnisvoll traurig und doch vom wilden Jubel des Sieges gestählt. Das war das erste Bewußtwerden von der Pracht des nordischen Heldentums, dessen Geist noch immer vor den Hünengräbern Wache hält, jenes besten Erbteils eines Blutes, das den Gegensatz von Leben und Tod mit besonderer Tiefe und Fruchtbarkeit empfing.
    Wo von diesem Blut, das auch heute noch an jeder schwirrenden Achse zischt und das letzte Schwungrad unserer Maschinen treibt, noch ein Tropfen

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