Ein Abenteurer und Gentleman (Historical My Lady) (German Edition)
Verblüffung im viel zu wissendem Blick seiner Lordschaft korrekt getroffen? Immerhin hatte sie ihn dargestellt, wie er auf einen großen Fischschwanz hinunterschielte, der aus seinem weit geöffneten Mund ragte.
„Oh, gnädiges Fräulein“, quiekte Tatiana, die Zeichnung betrachtend, „das ist ja noch besser als das vorherige Bild! Danica, komm, sieh dir das an!“
„Hmpf“, schnaubte die ältere Frau nur und fuhr mit ihrer Arbeit fort. Sie legte gerade Alinas frisch gebügeltes Reisekleid für den nächsten Morgen zurecht, eine hinreißende Kreation aus mitternachtsblauem Samt mit goldfarbener Schnürung über der Brust. Der dazu passende Hut war einem Tschako nachempfunden und würde in einem kessen Winkel seitlich auf Alinas Haupt thronen. „Auf dem letzten hatte er Hörner und einen Schwanz, ha! Ich finde es nicht spaßig, seinen Verlobten zu verspotten. Sie sollten der Jungfrau Maria dafür danken, dass er so gut aussieht. Er hätte genauso gut sechzig sein können, und fett und schmierig noch dazu.“
„Mir wäre lieber, er wäre achtzig und mit einem Fuß schon im Grab, von Trunksucht verwüstet und so verkrümmt von der Gicht, dass er an seine junge Frau keinen Gedanken mehr verschwendet“, sagte Alina, die an diesem Wunschdenken nichts Sündiges fand. „Was soll ich mit einem Mann anfangen, der jünger als Luka ist? Was könnte er von mir wollen?“
Tatiana kicherte und hielt sich dann rasch eine ihrer pummeligen Händen vor den Mund. „Sagen wir es ihr, Danica?“
„Das obliegt dem Ehegatten, nicht uns. Es gehört sich für eine Dame von hoher Geburt nicht, über …“
„… Geburten Bescheid zu wissen?“ Tatiana kicherte erneut.
„Tatiana Klammer, du bist nicht im Geringsten witzig!“, tadelte die ältere Zofe und drehte der jüngeren den Rücken zu, die ihr prompt die Zunge herausstreckte.
Alina seufzte. So ging es schon die ganze Reise über. Ständig stichelten die beiden Frauen einander. Die Zofe fand, dass sie die höhere Stellung innehatte, und die Gesellschafterin meinte, die Zofe sei zu sehr von sich eingenommen. Mittlerweile wünschte Alina fast, sie hätte Danica nicht mitgenommen, denn die Frau war steif, humorlos und übermäßig auf Anstand bedacht. Außerdem hatte sie nichts für ihre neue Herrin übrig, ganz unverständlich für Alina, die immer von allen gemocht wurde – außer von Tante Mimi, von der eindeutig nicht.
Alina klappte das Skizzenbuch zu und legte es zur Seite „Das meinte ich nicht, Danica“, sagte sie gereizt. „Ich weiß nicht, ob er meine Gesellschaft oder Gespräche mit mir wünscht oder ob er mich meistens ignorieren wird, wie ich hoffe, und mich meiner Wege gehen lässt. Dass er mich küssen wird, und mir Kinder schenken, weiß ich längst. Das hat mir meine Mama schon vor Jahren erklärt, als ich sie fragte. Anders kann man keine Kinder bekommen, hat sie gesagt. Darein habe ich mich gefügt.“
Allerdings war ihre Mutter schon über drei Jahre tot, und Alina war bei dem Gespräch damals sehr jung gewesen. So wie Danica die Augen verdrehte, fragte Alina sich nun, ob ihre Mutter vielleicht etwas verschwiegen hatte.
„Was ist? Was habe ich Unmögliches gesagt, dass du ein solches Gesicht ziehst? Was willst du mir damit sagen?“
„Danica will gar nichts sagen“, warf Tatiana rasch ein, und die Zofe machte sich wieder an ihre Pflichten und legte mit schwungvoller Geste ein Paar seidene Strümpfe heraus, ehe sie herausfordernd knickste und vor sich hin grummelnd aus dem Zimmer ging.
„Ich mag sie nicht“, verkündete Alina nicht zum ersten Mal. „Ich glaube, sie wollte gar nicht mit nach England kommen. Ich werde sie auf der Stelle wieder heimschicken.“
„Das Schiff ist schon heute Abend mit der Flut wieder ausgelaufen, mit all den prächtigen Gardisten an Bord. Ich sah es von diesem Fenster hier. Sie schliefen gerade ein wenig, Comtesse, da wollte ich Sie nicht wecken. Hätte ich nur gewusst, dass Sie Fräulein Sauertopf wieder heimschicken wollten!“
Alina ließ sich vom Bett gleiten und zuckte zusammen, als ihre bloßen Füße auf den kalten nackten Dielen landeten. „Nun ja, da kann man wohl nichts mehr machen. Tante Mimi hat sie eingestellt, und wenn ich etwas dagegen eingewendet hätte, hätte sie nur eine noch grässlichere Person gewählt. Machen wir das Beste daraus. Was meinst du, ob ich mal kurz nach draußen husche? Vielleicht finde ich eine hübsche fette Kröte, die ich ihr ins Bett schmuggeln kann.“
„Ach,
Weitere Kostenlose Bücher