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Ein allzu braves Maedchen

Ein allzu braves Maedchen

Titel: Ein allzu braves Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Sawatzki
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Berufs wegen immer meine Beine und meine Scham rasieren müsste, würde ich es täglich machen, auch wenn es mich manchmal nervt. Einfach, um gepflegt auszusehen, wenn mich einer totfährt.
    Ich hasse sowieso nichts mehr als ungepflegte Menschen. Männer, die untenrum riechen, schicke ich immer erst mal ins Bad. Das tue ich mir nicht an. Bei Gerüchen bin ich zimperlich. Ich mag auch nicht, wenn irgendwelche Leute mein Bad benutzen. Obwohl das eher selten ist, eigentlich kommt niemand zu Besuch. Danach sprühe ich immer wie verrückt mit Desinfektionsspray rum. Und Türklinken, vor allem die von WCs, fasse ich nur mit einem Tuch an oder mit dem Ärmel, je nachdem, was ich gerade zur Hand habe. So gesehen ist es schon komisch, dass ich ausgerechnet eine Arbeit habe, wo man sich vergleichsweise nahekommt. Am liebsten sind mir sowieso die Kunden, die nur gucken und sich dabei einen runterholen. Ich erzähle denen schön versaute Geschichten, dann kommt’s ihnen ganz schnell. Da kriegen die sich gar nicht mehr ein. Einer möchte immer gewickelt und ein bisschen verhauen werden. Das kann ich beides mit links. Vor allem das Wickeln geht ratzfatz, das hab ich immer daheim mit meinem Vater geübt.« Sie sah Dr. Minkowa fragend an. »Hören Sie noch zu?«
    »Wie bitte?«
    »Ob Sie noch zuhören, Sie gucken so komisch.«
    »Nein, ich höre Ihnen zu.«
    »Warum gucken Sie dann so?«
    »Wie gucke ich denn?«
    »Weiß nicht. Abwesend. Soll ich aufhören?«
    »Nein. Ich höre Ihnen zu. Es tut mir leid, wenn es so aussieht, als ob ich nicht zuhören würde.«
    »Ich kann ja auch was anderes erzählen. Oder ich gehe einfach, wenn ich Sie langweile. Ich weiß ja nicht, was Sie sonst so zu hören kriegen. Vielleicht Spannenderes.«
    »Es geht nicht um Spannung. Ich höre Ihnen zu und versuche, das Geschilderte vor mir zu sehen. Ich höre Ihnen sehr genau zu.«
    »Ich will eigentlich auch gar nichts mehr erzählen. Es war sowieso schon alles zu viel. Ich habe noch nie jemandem aus meinem Leben erzählt.«
    »Es geht nicht darum, besonders originell zu sein. Ich langweile mich nicht. Ich wundere mich, wie Sie das alles als Kind ausgehalten haben.«
    Die Pause danach schien endlos. Das Gesicht der jungen Frau wirkte mit einemmal wächsern und ausdruckslos. Wie eine Maske. Und ihre kleinen Pupillen stachen aus dem Eismeerblau ihrer Augen heraus wie Nadelspitzen und bohrten sich kalt und forschend in die Augen ihrer Ärztin.

DIENSTAG
    2
9
»Welches Verhältnis haben Sie zu Rosalynn? Vermissen Sie sie?«
    »Ein bisschen. Obwohl, vermissen wäre zu viel gesagt. Ich denke manchmal an sie. Sie war wie eine Mutter zu mir, obwohl sie höchstens fünfzig ist. Sie bedient das Telefon im ›Paradies‹, kümmert sich um die Wäsche, die Getränke, besorgt das Essen für die Mädels, die dort fest arbeiten, die Badezusätze, die Öle. Und sie hat immer ein offenes Ohr, wenn mal eine traurig ist oder Ärger hat. Sie selbst arbeitet kaum noch im Job. Sie hat ziemliche Probleme mit den Bandscheiben, da kann sie nicht so locker sein, wie sie müsste. Aber es macht ihr nicht viel aus, sie ist ja auch nicht mehr die Jüngste. Außerdem ist sie verheiratet, und ihr Mann weiß, glaube ich, nicht so genau, wo sie ihr Geld verdient.«
    »Wem gehört das ›Paradies‹?«
    »Brando.«
    »Wie?«
    »Brando. Der heißt so, weil er aussieht wie der Schauspieler Marlon Brando. Den kennen Sie ja sicher.«
    Sie fixierte die Psychiaterin lustlos. Heute ging Dr. Minkowa ihr auf die Nerven mit ihrer Fragerei.
    »Und, wie ist ›Brando‹ so?«
    »Machen Sie sich lustig über mich?«
    »Nein. Warum?«
    Die junge Frau sah aus dem Fenster. Dann sagte sie leise: »Der ist okay, kommt aber nicht so oft vorbei, weil er noch andere Baustellen hat, aber wenn’s mal Ärger gibt, schickt er sofort jemanden rüber, um für Ordnung zu sorgen. Das geht in Minutenschnelle, der hat überall Kontakte.«
    Sie wackelte mit den Zehen und begann, ein wenig vor- und zurückzuwippen. Sie war unruhig.
    »Liiert ist er mit Adina, die ist neu, aus Polen, zwanzig. Sie liebt den Brando über alles und will mal Kinder mit ihm. Ich finde sie ziemlich naiv, aber andererseits hat sie einen starken Willen und ist zäh. Damit kriegt man früher oder später jeden klein. Sie hat immer die spendabelsten und nettesten Freier, direkt auf Empfehlung vom Chef. Das hat natürlich was, wenn man in so einer Position ist. Ich bin für so was absolut ungeeignet. Schon immer gewesen.«
    »Sie hadern heute

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