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Ein allzu schönes Mädchen

Titel: Ein allzu schönes Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Seghers
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Kostüm. Grau. Sehr elegant. Dunkelblaue Schuhe, dunkelblaue Handtasche. Ich bin jetzt hinter ihr. Sie will in die oberen
     Stockwerke.»
    Marthaler und Liebmann hielten dem Portier ihre Ausweise hin und ließen sich den Weg zum Treppenhaus zeigen. Als sie im ersten
     Obergeschoss ankamen, sahen sie Kerstin Henschel gerade mit der Rolltreppe in die nächsthöhere Etage fahren.
    «Verdammt, wo will sie denn noch hin? Ich sehe sie nicht mehr. Wo seid ihr?»
    «Gleich bei dir. Versuch, sie wieder zu finden. Kein Zugriff! Warte, bis wir da sind.»
    Sie standen auf den unteren Stufen der Rolltreppe und versuchten, sich an ihren Vorderleuten vorbeizudrängen. Plötzlich spürte
     Marthaler, wie Liebmann ihn am Arm fasste. Er zeigte mit dem Kopf auf die gegenüberliegende Rolltreppe, die wieder zurück
     in den ersten Stock führte. Dort stand Marie-Louise Geissler, näherte sich von oben, schien ihnen zuzulächeln und entfernte
     sich langsam nach unten.
    Marthaler starrte die junge Frau an. Ihr Anblick traf ihn wie ein Schlag. Sie war so schön, dass er im selben Moment begriff,
     wie viel Unglück mit solcher Schönheit einhergehen musste.
    Kurz war er versucht, seine Waffe zu ziehen, um sie aufzuhalten. Aber dann wäre sie gewarnt gewesen. Er versuchte, gegen die
     Fahrtrichtung durch die Menge der nachströmenden Kunden nach unten zu laufen, gab aber sofort auf, als er merkte, dass er
     damit einen Aufruhr verursacht hätte.
    Oben angekommen, sahen sie Kerstin Henschel nervös |419| zwischen den zahllosen Regalen und Drehständern hin und her laufen. Liebmann rief ihr zu, ihnen zu folgen. Sie fuhren zurück
     in den ersten Stock. Dort trennten sie sich.
    «Ihr sucht hier», sagte Marthaler. «Einer rechts, einer links. Ich fahre nach unten.»
    Er lief eilig durch die Gänge. Er durchstreifte den ganzen linken Teil des Erdgeschosses, wo sich die Damenbekleidung befand.
     Er wurde immer aufgeregter. Schließlich schob er sogar die Gardinen der Umkleidekabinen beiseite, um zu sehen, ob sich Marie-Louise
     Geissler dort aufhielt. Immer mehr Kunden merkten jetzt, dass etwas nicht stimmte. Es würde nicht mehr lange dauern, und er
     hätte das Sicherheitspersonal des Kaufhauses auf dem Hals. Die Befürchtung, sie verloren zu haben, wurde größer. Er lief zum
     rechten der beiden Haupteingänge. Er sah den dort postierten Schutzpolizisten, wie er sich mit einer Gruppe ausländischer
     Touristen unterhielt, die offenbar nach dem Weg gefragt hatten. Er herrschte den Kollegen an: «Was machen Sie da, Mann? Sie
     sollen aufpassen und nicht den Stadtführer spielen.»
    Es hätte nicht viel gefehlt, und der Uniformierte hätte vor ihm die Hacken zusammengeschlagen. Er stammelte eine Entschuldigung,
     aber Marthaler winkte nur ab.
    «Rufen Sie Verstärkung», sagte er. «Alle Ein- und Ausgänge müssen kontrolliert werden. Jeder, der das Gebäude verlässt, soll
     seine Personalien hinterlassen. Danach wird das gesamte Haus durchsucht. Haben Sie verstanden?!»
    Der Mann nickte stumm. Er ahnte wohl, dass es sich um eine Strafarbeit handelte. Marthaler war überzeugt, dass Marie-Louise
     Geissler das Kaufhaus bereits verlassen hatte und im Strom der Passanten auf der großen Einkaufsstraße untergetaucht war.
    Als er in die Sonne trat, merkte Marthaler, dass ihm schwindelig wurde. Die Anspannung und die fortdauernde Hitze hatten |420| seinen Kreislauf durcheinander gebracht. Er setzte sich auf den Rand des weißen Brunnens, der auf der Kreuzung zwischen Zeil
     und Hasengasse stand und auf dem sich im Sommer viele Leute ausruhten. Er wählte Sven Liebmanns Nummer.
    «Sie ist weg», sagte Marthaler. «Einer der Kollegen am Eingang hat geschlafen. Ich schlage vor, wir durchsuchen die Innenstadt.
     Wenn sie uns nicht bemerkt hat, wird sie noch nicht weit sein. Vielleicht haben wir Glück. Lasst eure Telefone eingeschaltet.»
    Er ärgerte sich, schon wieder auf das Glück angewiesen zu sein. Sie waren ihr so nah gewesen wie nie zuvor, und nun brauchten
     sie wieder Glück. Langsam ließ er sich treiben. Er lief ein Stück Richtung Hauptwache, wechselte immer wieder die Straßenseite
     und bemühte sich, keines von den vielen hundert Gesichtern, die an ihm vorüberkamen, seiner Aufmerksamkeit entgehen zu lassen.
    Wenn er eine Boutique sah, blieb er vor dem Schaufenster stehen, lugte in das Innere des Ladens und beobachtete den Eingang.
     Er bemühte sich, nicht allzu sehr aufzufallen. Er hoffte, man würde ihn für einen Ehemann halten,

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