Ein Alptraum für Dollar
Sein Gegner ist besiegt. Es wäre feige, ihn jetzt noch zu verfolgen.
Also steigt er wieder hoch und sieht dabei, wie der Deutsche versucht, auf dem Schnee notzulanden. Aber gleich beim Aufsetzen überschlägt sich das Flugzeug und geht sofort in Flammen auf. Doch es scheint, als sei der Pilot aus der Kanzel herausgeschleudert worden? Da hätte er aber Glück gehabt!
Der Kanadier kehrt zu seinem Stützpunkt zurück — Befehl ausgeführt!
1,82 m groß und hundertachtzig Pfund schwer, so steht Alan Colter an diesem Novembertag auf seinem Militärflughafen irgendwo in Frankreich unter der Dusche. Bei der Rückkehr der Staffel haben die Kameraden seinen Sieg groß gefeiert! Keiner von ihnen hat so viele Feinde abgeschossen! Und dieser neunte Treffer wird ihm sicher einen Orden einbringen.
Doch Colter hat andere Probleme. Er singt auch nicht unter der Dusche wie sonst. Seit dem Moment, in dem er sah, wie die deutsche Maschine Feuer fing, hat er nur noch ein Bild vor Augen: Hat sich der Pilot retten können oder nicht? Wurde er vor der Explosion hinausgeschleudert oder danach ? Colter kann es einfach nicht sagen. Er will aber Gewißheit haben. Am besten, er erkundigt sich bei dem alliierten Lazarett, wohin der Deutsche vermutlich gebracht wurde, falls er mit dem Leben davongekommen ist.
Zwei Stunden später schlägt ein britischer Sanitäter ein dickes Buch auf und liest mit dem Zeigefinger in dem langen Namenverzeichnis. Es dauert nicht lange, da schaut er verwundert Alan Colter an:
»Ja, es ist ein deutscher Pilot eingeliefert worden. Warum wollen Sie es wissen? Haben Sie ihn abgeschossen?«
»Ja. Ist er schwer verletzt?«
»Schon. Er lebte noch, aber es sah nicht gut aus. Soll ich nachfragen, wie es ihm jetzt geht?«
»Bitte. Ja.«
Der Sanitäter geht zum Telefon, erkundigt sich, was aus dem heute eingelieferten Piloten geworden sei und wiederholt Wort für Wort die Antwort, die man ihm gibt: »Viele Knochenbrüche... Becken und Wirbelsäule... ist auf dem Operationstisch gestorben, bevor der Chirurg etwas machen konnte.«
Alan Colter schluckt. Der Tod eines Feindes unter solchen Umständen gefällt ihm nicht.
Zwanzig Minuten später reicht eine junge Engländerin in grauer Gefreitenuniform dem Kanadier gleichgültig einen kleinen Beutel:
»Da... das hat man bei ihm gefunden.«
Alan öffnet den Beutel und findet darin außer allerhand Krimskrams nur eine Brieftasche mit den Papieren eines Conrad Ebernach, fünfundzwanzig Jahre alt, geboren in Stuttgart, verheiratet, ein Kind.
Die Engländerin mit den straff zurückgekämmten Haaren streckt resolut die Hand aus und will Beutel und Brieftasche wieder haben:
»Sonst noch eine Frage?«
»Warten Sie doch noch einen Moment!«
Alan Colter hat gerade ein Foto entdeckt. Es zeigt eine hübsche braunhaarige Frau mit Mandelaugen, eher spanisch als deutsch, mit einem etwa zehn Monate alten Baby auf dem Arm.
»Nun ja, noch eine Witwe!« sagt die Engländerin trocken und streckt noch einmal ungeduldig die Hand aus.
Diese ungerührt ausgestreckte Hand fällt dem Kanadier auf die Nerven:
»Moment! Sie werden doch eine Minute Zeit haben, oder?«
Der Anblick der jungen Mutter mit ihrem Baby auf dem Arm geht ihm nahe. Er dreht das Foto um. Mit großen, etwas schulmädchenhaften Buchstaben steht da auf Deutsch geschrieben: »Lieber Papi, du mußt gut auf dich aufpassen und gesund bleiben. Wir warten auf dich.« Selbst die kühle Engländerin, die die Widmung übersetzt, ist jetzt still. Alan Colter beißt die Zähne zusammen, um nicht zu fluchen.
Es ist mies, den Vater dieses Kindes getötet zu haben. Vor allem, weil es im Grunde gar nicht mehr nötig war... Und wieder streckt die Soldatin die Hand aus. Also läßt der Kanadier die Brieftasche in den Beutel hineinfallen und überreicht ihn ihr:
»Auch das Foto!« blafft die Frau.
»Das Foto? Nein. Das behalte ich!«
»Aber... Sie... Sie haben kein Recht...«
»Dann nehme ich es mir eben!«
Und schon knallt Alan Colter die Tür hinter sich zu. Darüber gibt es gar keinen Zweifel: Am Steuer seines Traktors, auf der großen Farm in Saskatchewan, fühlt sich Alan Colter viel wohler in seiner Haut. Viel wohler als im Cockpit eines Jagdflugzeugs. Er hat seine Fliegeruniform mit Jeans und Gummistiefeln vertauscht und läuft nun schon wieder seit sechs Monaten auf den weiten Feldern seiner kanadischen Heimat.
Er ist nicht unglücklich. Wenn man lebendig, unverletzt, siegreich und sogar mit einem Orden geschmückt aus
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