Ein Alptraum für Dollar
dem Krieg zurückgekehrt ist, wenn man auch noch eine liebende Frau hat, einen gesunden Sohn und 500 Hektar Weizen — da kann man einfach nicht unglücklich sein! Aber er trägt das Foto der jungen deutschen Mutter immer mit sich herum. Es steckt in seiner Brieftasche seit jenem schicksalhaften Novembertag 1944. Gleich als er nach Hause kam, hat er es auch seiner Frau gezeigt und ihr erzählt, wie er den deutschen Flieger — so kurz vor Kriegsende in Frankreich abgeschossen hat. Auch Mrs. Colter war gerührt über die Widmung:
»Arme Frau... armes Kind.«
Seit ihr Mann aus Europa zurück ist, schaut er immer wieder das Foto an, und immer wieder fragt er sich: »Was mag aus ihr und dem Kind geworden sein?«
»Denke nicht mehr daran, Alan. Wenn alle Soldaten an die denken würden, die sie im Krieg getötet haben, das wäre ja furchtbar!«
»Ich denke nicht an ihn. Er ist tot. Ich denke an diese Frau und an sein Kind. Weißt du, das zerbombte Deutschland sieht wirklich nicht gut aus... dort ist es schrecklich, das kann ich dir sagen! Und für eine Witwe, allein mit einem kleinen Kind, ist das Leben bestimmt sehr schwer.«
»Und wer sagt dir denn, daß sie allein ist?«
Die Logik von Mrs. Colter überzeugt ihren Mann. Und die Jahre gehen darüber hin.
Burt, der Sohn von Alan Colter ist mittlerweile siebzehn Jahre alt. Er kennt die Geschichte von Frau Ebernach in- und auswendig. Ab und zu, wenn er merkt, daß sein Vater sich immer noch Gedanken, ja sogar Vorwürfe macht, versucht er, ihn zu beruhigen:
»Also Daddy, ich kann wirklich nicht verstehen, warum du dich immer noch mit dieser Sache abquälst. Krieg ist Krieg. Was diesem deutschen Flieger passiert ist, hätte dir genauso passieren können! Und dann wäre Mutter die Witwe und ich das Waisenkind!«
»Hast schon recht, mein Junge. Ich will mir Mühe geben und nicht mehr daran denken.«
Doch Alan Colter schiebt das Foto sorgfältig wieder in seine Brieftasche. Und noch einige Jahre verstreichen. Seltsam, sich vorzustellen, wie ein reicher kanadischer Bauer neun Jahre lang das Foto einer unbekannten Frau mit Baby heilig hält. Und dennoch hat Alan Colter das getan. Bis sein Sohn Burt, der unterdessen genauso groß und stark geworden ist wie sein Vater, eines Tages mit der ganzen Spontaneität seiner Jugend explodiert:
»Also du machst uns wahnsinnig damit. Entweder du unternimmst etwas und versuchst, diese Frau Ebernach zu finden, oder du zerreißt das Bild auf der Stelle! Was meinst du, Mutter?«
»Burt hat recht.«
»Nun, Vater, entscheide dich jetzt! Zerreißt du das Foto, oder suchst du die Frau?«
»Wie sollte ich sie denn finden?«
»Ruf eine Detektei an... oder das Rote Kreuz, was weiß ich!«
Alan Colter schaut wieder das Foto an, dreht es um, liest die Widmung und steckt es in seine Brieftasche:
»Morgen fahre ich nach Regina. Ich muß wissen, was aus der Frau geworden ist.«
Drei Monate später bekommt Alan Colter einen Bericht von der Agentur, die er in Regina mit diskreten Nachforschungen beauftragt hat. Einige Fakten nur: Demnach hat sich Frau Ebernach nicht wieder verheiratet. Sie lebt mit ihrer 12jährigen Tochter Ingrid in der Umgebung von Stuttgart. Da sie nur eine minimale Kriegerwitwenrente bekommt, arbeitet sie als Verkäuferin in einem Kolonialwarenladen und, damit ihre Tochter ins Gymnasium gehen kann, hilft sie am Wochenende noch als Bedienung in einem Sportverein aus. — 1954 fehlt es in Kanada nicht an Arbeit. Die mittlere Prärieprovinz Saskatchewan erlebt einen starken wirtschaftlichen Boom.
»Und wenn wir sie hierher kommen ließen?« schlägt Alan Colter Frau und Sohn vor, »hier hätten sie ein viel leichteres Leben als zur Zeit in Deutschland.«
»Gute Idee!«, sagt der Sohn.
»Warum nicht«, antwortet Mrs. Colter.
Doch acht Tage später hält der Wagen eines Nachbarn quietschend mitten in Colters Hof:
»Schnell Burt, schnell! Hol Seile und einen Wagenheber... Deinem Vater ist was passiert! Der Traktor ist in den Graben gerutscht und umgekippt. Dein Vater liegt drunter, beeil’ dich!«
Alan Colter hat sich bei dem Unfall keine schwere Verletzung zugezogen — nur Schürfwunden. Eine ziemlich tiefe Wunde allerdings am Oberschenkel. Aber er achtet nicht weiter darauf. Ein paar Tage später allerdings ist das ganze Bein entzündet, und Alan Colter muß mit einer gefährlichen Blutvergiftung ins Krankenhaus gebracht werden. Nach der ersten Bluttransfusion verbessert sich der Zustand des Verletzten überhaupt nicht,
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